Zum ganz großen Wurf hat es für Heinz-Christian Strache am Wahlabend wieder nicht gereicht - der könnte aber in einigen Wochen kommen. Denn obwohl es mit Platz eins nicht klappte, sind die Chancen des FPÖ-Chefs, in die Regierung einzuziehen, so groß wie nie. Dazu kann er sich beim vierten Antritt im Bund über sein persönliches Rekordergebnis freuen.
Dass zu einer Regierungsbeteiligung staatsmännisches Auftreten gehört, war dem FPÖ-Chef und seiner Mannschaft klar, umso mehr, als man die potenziellen Partner nicht vergraulen wollte. Deshalb wurde ein Wahlkampf aufgelegt, in dem Strache statt auf allzu dumpfe Sprüche auf Humor und gemäßigte Rhetorik setzte und so bei Rot wie Schwarz als potenzieller Koalitionspartner im Gespräch blieb.
Lange hätte man dem FPÖ-Chef diese Wandlungsfähigkeit nicht zugetraut, analysiert die APA aktuell. Etliche Wahlkämpfe, ob in Wien oder im Bund, hatte er mit aggressiver Ausländerpolitik betrieben, in mancher Diskussion wirkte er nicht nur rhetorisch stark gefordert.
Doch da hat man Strache wohl unterschätzt. Neben der Routine, die der 48-Jährige mittlerweile reichlich zur Verfügung hatte, nützte dem Chef der Freiheitlichen auch die Erkenntnis aus der nicht enden wollenden Hofburg-Wahl im vergangenen Jahr. Mit freundlichem Auftreten war FPÖ-Spitzenkandidat Norbert Hofer da tief in die bürgerliche Wählerschar eingedrungen und hatte das höchste Amt im Staat nur hauchdünn verpasst.
Auch wenn man sich in der heimischen Politikszene an Strache längst gewöhnt hat, wäre gerade die Übernahme des Innenressorts, das er als Koalitionsbedingung formuliert hat, eine recht pikante Sache. Denn der gelernte Zahntechniker, der in einem Internat aufwuchs, streifte in jungen Jahren bekanntlich am ganz rechten Rand an. Im Haus von NDP-Gründer Norbert Burger ging Strache, der mit dessen Tochter liiert war, ein und aus. Fotos von Waldspielen belegen, dass der heutige FPÖ-Chef früher zumindest wehrsportübungsähnlichen Beschäftigungen nachging.
Heute will Strache von all dem nichts mehr wissen, ganz im Gegenteil nennt er den besonders grausamen "Holocaust-Organisator" Adolf Eichmann als historisch verabscheuungswürdigste Persönlichkeit, und in den Wald geht er nur noch mit seinem Hund bzw. dem seiner zweiten Frau, die sich neben ihrer Tätigkeit bei FPÖ-TV auch als Quizmasterin versucht. Aus einer früheren Ehe stammen Straches zwei Kinder, ein Sohn und eine Tochter.
Die Zeiten, als der FPÖ-Chef nächtens durch die Discos zog und auch einmal sein Autogramm auf ein Dekollete setzte, sind jedenfalls vorbei. Heute zeigt er sich gerne als gereifter Romantiker, der seine Zeit am liebsten mit Frau, Kindern und Mutter verbringt.
Tatsächlich gilt Strache aber entgegen seinem öffentlichen Image, das auch durch ein Burschenschafter-Gefecht Mitte der 2000er-Jahren befeuert wurde, intern als eher konfliktscheu. Unangenehme Dinge wie den Rausschmiss nicht mehr gewünschter Mitstreiter überlässt er lieber seinem Generalsekretär Herbert Kickl oder seinem Vize Norbert Hofer.
An sich braucht es schon einiges, um von Strache gefeuert zu werden. Denn als eine seiner wichtigsten Stärken gilt seine Loyalität Weggefährten gegenüber. Strache ist in der Partei völlig unbestritten, an seinem Sessel sägt niemand, auch wenn das die politische Konkurrenz nach dem starken Abschneiden Hofers bei der Hofburg-Wahl noch so sehr herbeireden wollte.
Diese Disziplin der freiheitlichen Führungsriege hängt vermutlich auch mit den Ereignissen vor Straches Machtübernahme in der FPÖ zusammen. Als Jörg Haider 2005 das BZÖ aus der Taufe hob und den Großteil der prominenten Freiheitlichen ins neue orange Bündnis mitnahm, standen die Blauen am Abgrund. Strache, einst jüngster Bezirksrat in seinem Heimatbezirk Wien-Landstraße und nunmehr frisch gebackener Wien-Chef der Freiheitlichen, war der letzte Strohhalm, an den sich das verbliebene Häufchen klammerte. Etliche jener, die damals eher überraschend an seiner Seite blieben, sind es auch heute noch - etwa Hofer und Kickl. Andere, die aufzumucken wagten, wie Karl Schnell oder Ewald Stadler, wurden freilich Stück für Stück wieder aus der Partei entfernt.
Nahezu bei allen Wahlen auf Bundes- und Landesebene konnte die FPÖ seit dem Beginn von Straches Obmannschaft zulegen, auch wenn es immer wieder für ihn lästige Konkurrenz aus dem eigenen Lager gab, zunächst durch das BZÖ, dann auch noch durch das Team Stronach, diesmal weniger stark durch die FLÖ. Persönlich lag sein Rekord bei Nationalratswahlen bis heute bei 20,5 Prozent im Jahr 2013, noch höher ging es in Wien, wo er vor zwei Jahren zwar das Duell mit Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) klar verlor, aber doch beachtliche 30,8 Prozent einstreifte.
Ob er das Ziel Wiener Bürgermeister mittlerweile ganz aus den Augen verloren hat, ist unbekannt. Ganz schlecht wären die Chancen 2020 wohl nicht, wenn eine Koalition im Bund unter blauer Beteiligung bis dahin rund laufen sollte.
Dafür wird sich Strache wohl politisch ein wenig mäßigen müssen, sollte es überhaupt zu einer Regierungszusammenarbeit kommen. Zwar trennt Schwarz, Rot und Blau mittlerweile in der Ausländerpolitik kaum mehr etwas, doch wird man sich zumindest keinen so straffen Anti-Brüssel-Kurs mehr leisten können. Auch sein vehementes Eintreten für Russlands Interessen wird als Regierungsmitglied nicht mehr so einfach sein. Schließlich wird Strache möglicherweise wie alle seine Vorgänger immer wieder mit Funktionären zu kämpfen haben, die mit antisemitischen oder rassistischen Äußerungen für Entsetzen sorgen.
Strategischer Vorteil Straches in den kommenden Wochen ist, dass er für beide potenzielle Koalitionspartner Mehrheitsbeschaffer sein könnte. Persönlich kann der FPÖ-Chef besser mit dem SPÖ-Vorsitzenden Christian Kern. Vermutlich leichter zu bewerkstelligen wäre allerdings eine Koalition mit der Volkspartei. Sollte man überhaupt tatsächlich nur Dritter sein, wird sich Strache zuerst einmal die Offerte vorlegen lassen, ehe er sich entscheidet, über welchen Partner die Freiheitlichen ihr Comeback am Ministerratstisch feiern wollen.
Zur Person: Heinz-Christian Strache, geboren am 12. Juni 1969 in Wien, zwei Kinder aus erster Ehe, verheiratet. Gelernter Zahntechniker. Ab 1991 Mitglied der Bezirksvertretung (Bezirksrat) von Wien-Landstraße, ab 1993 Bezirksparteiobmann der FPÖ Wien-Landstraße, 1996-2006: Wr. Landtagsabgeordneter, seit 2004 Landesparteiobmann der FPÖ Wien, seit 2005 FPÖ-Bundesparteiobmann, seit 2006 Klubobmann des FPÖ-Parlamentsklubs.
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