Knalleffekt bei den Grünen: Nach dem Debakel bei der Nationalratswahl am Sonntag gibt es jetzt erste personelle Konsequenzen. Wie die "Krone" am Dienstag vorab berichtete, haben Parteichefin Ingrid Felipe und Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek mit Tränen in den Augen ihren Rücktritt erklärt. "Es braucht einen Neustart", sagte Lunacek am frühen Abend bei einer Pressekonferenz, bei der sie ihren Rückzug von allen politischen Ämtern verkündete. Sie werde jetzt "eine Pause einlegen". Felipe geht als Bundessprecherin, will aber die Grünen als Spitzenkandidatin in die Tiroler Wahl nächstes Jahr führen und Schwarz-Grün II erreichen.
Eine Erklärung für das Grünen-Desaster hatte Lunacek auch am Dienstagabend in der "ZiB 2" nicht parat. "Ja, es hat Fehler gegeben und die werden wir jetzt auch analysieren", so Lunacek gegenüber Armin Wolf. Was die Pläne für die grüne Zukunft angeht, ließ sich die zurückgetretene Spitzenkandidatin von dem ORF-Journalisten nicht entlocken.
"Lage der Grünen ist ernst"
"Die Lage der Grünen ist ernst, aber auch die Lage der Republik ist ernst", hatte es zuvor die gescheiterte Bundessprecherin Ingrid Felipe am Dienstag bei einer eigens einberufenen Pressekonferenz formuliert. Diese Wahl sei eine Richtungsentscheidung gewesen, und die Themen Europa, Soziales und Menschenrechte "sind jetzt geschwächt", bedauerte Lunacek.
Lunacek sprach von der "schlimmsten Krise" der Grünen seit dem Einzug in den Nationalrat vor 31 Jahren. Man habe die Funktionen im Mai in einer schwierigen Situation übernommen und sie sei überzeugt gewesen, dass man eine "Aufholjagd" schaffen werde, so Lunacek. Dies sei "nicht gelungen". Sie hätte gerne im Nationalrat als Klubobfrau oder in einer Regierung gewirkt, aber "all das ist jetzt nicht möglich". Sie stehe aber zu ihrem Wort und werde nicht wieder ins Europaparlament zurückkehren. Nachfolgen wird ihr dort im November der steirische Bio-Bauer Thomas Waitz.
Auch ihre Funktion im Bundesparteivorstand legt Lunacek zurück, bestätigte sie entsprechende Medienberichte über ihren vollständigen Rückzug aus der Politik. Es sei keine leichte Entscheidung gewesen, aber sie werde nun "eine Pause einlegen", so Lunacek, die aber auf Nachfrage nicht ausschloss, wieder einmal für die Grünen zu kandidieren. "Es braucht einen Neustart. Ich bin überzeugt, es wird gelingen, wieder in den Nationalrat einzuziehen."
Felipe: "Wir sind zurückgestutzt worden"
"Wir sind zurückgestutzt worden, aber wir haben starke Wurzeln", sagte Felipe. "Es war nicht so, dass sich viele andere gefunden hätten", so die Tirolerin zur Situation nach dem überraschenden Abgang von Eva Glawischnig im Frühjahr. Man übernehme aber auch jetzt die Verantwortung dafür, "dass die Mission nicht gelungen ist". Felipe geht als Bundessprecherin, sie will sich nun ganz auf ihre Arbeit als Tiroler Grünen-Chefin konzentrieren. Dort finden nächstes Jahr Landtagswahlen statt.
"Tirol ist die nächste wichtige Wahl und Tirol braucht meine volle Energie", begründete sie ihren Rückzug. Sie helfe den Grünen sicher am allermeisten, "wenn wir in Tirol gut abschneiden". Gemeinden und Länder müssten die Bundespartei wieder aufrichten und finanziell unterstützen, so Felipe.
Felipe übergibt an Vize Kogler
Ein Plan für die nächsten Monate - auch, wer die Grünen künftig führen wird - soll am Freitag mit den Landesorganisationen besprochen werden, sagte Felipe Dienstagnachmittag bei einer Pressekonferenz. Interimistisch übernimmt Vizeklubchef Werner Kogler alle Agenden von Felipe.
In einer Sitzung des Erweiterten Bundesvorstands soll auch beraten werden, welche Strukturen der Bundes-Grünen nach dem Rausflug aus dem Nationalrat noch aufrechterhalten werden. Was die Finanzen betrifft, haben sich laut Felipe die Landesorganisationen schon bereit erklärt, für die rund fünf Millionen Euro Schulden der Bundespartei "solidarisch zusammenzulegen".
Kogler war Gründungsmitglied der Grünen in der Steiermark, nun übernimmt er die Sperrstunde der Bundespartei: Der 55-Jährige ist nach dem Rückzug von Felipe für das zuständig, was nach dem Wahldesaster am Sonntag von der einst stolzen Ökopartei noch übrig ist. Der studierte Volkswirt galt als einer der gewichtigsten Aufdecker der Grünen, zuletzt in der Causa Hypo.
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