Katias Kolumne

Holt euch, was euch zusteht – die Opposition!

Österreich
18.10.2017 11:55

Seien wir uns ehrlich: Das Wahlergebnis bot neben weniger großen (Kurz auf Platz eins, Strache mit großem Zugewinn) und mittelgroßen Überraschungen (die Grünen fliegen aus dem Parlament, während die NEOS und die Liste Pilz den Einzug schaffen) tatsächlich auch eine große Überraschung: Nach der Silberstein-Verhaftung, den Puller-Aufdeckungen, den Berater-Fehlgriffen und anschließenden Rücktritten und Rochaden konnte sich die vielerorts tot geglaubte Kern-SPÖ doch tatsächlich noch den zweiten Platz sichern.

Möglich gemacht hat das Wohl ein Kniff, der offenbar noch immer ganz gut funktioniert und der knapp zwei Wochen vor der Wahl, als die Lage rund um die SPÖ aufgrund von "Dirty Campaigning"-Skandalen noch schier aussichtslos erschien, wieder aus der Mottenkiste der Wahlkampftricks herausgekramt wurde und nach den mittelmäßig erfolgreichen Strategien vom Pizza austragenden Kanzler bis hin zu Klassenkampf-Parolen doch tatsächlich noch im letzten Moment die entscheidende Trendwende brachte: die Warnung vor Schwarz-Blau.

Stimmen aus dem grünen Lager geliehen
Geliehen hat man sich in Anbetracht des drohenden Prozentverlustes vor allem Stimmen aus dem grünen Lager, das durch die Zuspitzung auf den Kampf von SPÖ gegen Schwarz und Blau rund 161.000 Stimmen an die Roten lassen musste. Oder anders gesagt: Von der grünen Wählerschaft im Jahr 2013 haben dieses Mal mehr Wähler die SPÖ gewählt als nochmals die Grünen. Während die Roten sich mit ihrer Last-Minute-Anti-ÖVP-FPÖ-Positionierung doch noch vor größeren Verlusten retten konnten, stehen die Grünen nun vor den Scherben ihrer politischen Existenz und werden nicht mehr ins Parlament einziehen.

Ulrike Lunacek (Grüne), Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) (Bild: APA, stock.adobe.com, krone.at-Grafik)
Ulrike Lunacek (Grüne), Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ)

"Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern"
Noch im Wahlkampf wurde der Wähler mit der Ankündigung überrascht, dass SPÖ-Chef Christian Kern seine Partei in die Opposition führen wolle, sollte sie nur Platz zwei erreichen. Nur einen Tag nach der Wahl tönt es dann überraschend: "Wir wollen keine Türe zuschlagen, das haben wir heute klargemacht" - und man sei bereit und willens für Koalitionsverhandlungen mit der drittplatzierten FPÖ und dem Wahlsieger ÖVP. Aber: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?", fragte schon der deutsche Ex-Bundeskanzler Konrad Adenauer.

Christian Kern in der "Pressestunde" (Bild: ORF)
Christian Kern in der "Pressestunde"

"Machtversessenheit und Zukunftsvergessenheit"
Vergessen ist plötzlich die Warnung vor der "Machtversessenheit und Zukunftsvergessenheit", vergessen die vollmundige Ankündigung, bei jedem anderen als dem ersten Platz in Opposition gehen zu wollen. Kaum ein Roter kann schlüssig erklären, warum Blau in Kombination mit Rot nun plötzlich weniger übel sein soll als Blau in Kombination mit Schwarz. Aber wenn es um den eigenen Machterhalt und eine potenzielle Regierungsbeteiligung geht, wird die Moralkeule dann doch schnell wieder eingepackt und offenbar so mancher Funktionär haltungsflexibel. Und übrig bleibt der Grün-Wähler, dem im Wahlkampf glaubhaft vorgegaukelt wurde, mit seiner geliehenen Stimme für Rot die FPÖ schwächen zu können.

"Der zweite Platz ist der erste Verlierer"
Auf Seite 203 des Kern'schen "Plan A" heißt es vielsagend: "Der zweite Platz ist der erste Verlierer. Und unser Land ist zu wertvoll, um von VerliererInnen regiert zu werden." Möchte man diese Zeilen tatsächlich ernst nehmen, wäre es für die selbst ernannten, zweitplatzierten "VerliererInnnen" doch an der Zeit, dass sie sich "holen, was ihnen zusteht" - und das wäre nach eigenen Angaben nur der Gang in die Opposition.

Katia Wagner

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