SPÖ im Chaos

Wie lange kann sich Kern noch halten?

Österreich
19.10.2017 07:59

Das Bild, das die SPÖ abgibt, wird täglich merkwürdiger. In Wiens mächtiger Landespartei wird offen von einer drohenden Parteispaltung bei einer Annäherung an die FPÖ gesprochen, andere plädieren für Rot-Blau, und eine verbliebene Truppe um Christian Kern glaubt den SPÖ-Chef noch fest im Sattel. Unterdessen planen einflussreiche Gruppen bereits ganz konkret Kerns Sturz.

Beobachter des Besuchs von Kern bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Mittwoch in der Hofburg sagten, es müsse sich um eine Art Schockzustand des SPÖ-Chefs handeln. Der noch amtierende Bundeskanzler und dessen engste Umgebung hätten das Ergebnis der Nationalratswahlen am Sonntag einfach noch nicht völlig realisiert. "So ein Zustand des Realitätsverlusts kann einige Tage dauern", beschrieb ein langgedienter politischer Mitarbeiter im Regierungsviertel.

Skurriler Auftritt nach Kanzler-Knockout
In diesem Zusammenhang wird an den skurrilen K.-o.-Auftritt des früheren deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) in einer TV-Elefantenrunde erinnert, der nach seiner Niederlage gegen Angela Merkel im September 2005 bis zuletzt den Eindruck vermittelte, er würde davon ausgehen, sein Amt als Regierungschef behalten zu können.

Oktober 2017: Wahlverlierer Christian Kern gratuliert Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache. (Bild: APA/Herbert Neubauer)
Oktober 2017: Wahlverlierer Christian Kern gratuliert Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache.

Kerns Team hofft auf Rettung mit FPÖ
Tatsächlich vermittelten am Mittwoch auch einige in Kerns engster Umgebung auf Minister- und Mitarbeiterebene, dass sie sich durch eine Koalition mit den Freiheitlichen an der Regierungsspitze halten könnten. Ignoriert werden auch dezente Hinweise an den Kanzler von hohen Kreisen aus Republik und SPÖ, dass er selbst angekündigt hatte, den Gang in die Opposition anzutreten, wenn er bei den Wahlen nicht den ersten Platz erreicht. Klare Rückendeckung für Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und FPÖ kam am Mittwoch eigentlich nur vom Linzer Bürgermeister Klaus Luger, der in seinem Plädoyer für die blaue Variante sagte: "Wenn es inhaltlich passt, dann bin ich für die Option mit der FPÖ."

Jetzt werden Jobs für die eigenen Leute gesucht
Bestärkt in seiner Führungsrolle könnte sich Kern tatsächlich fühlen, wenn er seine Informationen über orf.at bezieht. Dort war am Mittwoch zu lesen: "Der Noch-Kanzler sitzt damit in der Partei fester im Sattel als vor der Wahl gemutmaßt." Lediglich der analytisch klar denkende frühere Kommunikationschef des Bundeskanzlers, Johannes Vetter, der nach überraschenden Abgängen in der SPÖ-Parteizentrale zuletzt auch noch als Wahlkampfleiter einspringen musste, hat rasch erkannt, dass es vorbei ist. Vetter macht sich schon auf die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz.

SPÖ-Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek und Wiens Finanzstadträtin Renate Brauner am Wahlsonntag (Bild: APA/Roland Schlager)
SPÖ-Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek und Wiens Finanzstadträtin Renate Brauner am Wahlsonntag

Fernab vom Kanzlerbüro sind schon seit Dienstag der Sozialdemokratie nahestehende Spitzenbeamte damit beschäftigt, für die zahlreichen Mitarbeiter aus den Ministerien Jobs in diversen Behörden zu suchen.

Keine Signale, dass Kern erste Wahl ist
Tatsächlich ist Eile geboten. Bereits am Freitag wird der Wahlsieger, ÖVP-Chef Sebastian Kurz, vom Bundespräsidenten den Auftrag für eine Regierungsbildung erhalten. Danach will Kurz mit allen Parteienvertretern erste Annäherungsgespräche führen. Signale, dass Kern für Kurz erste Wahl sein könnte, gibt es nicht. Nicht zuletzt deshalb überlegen mächtige Gruppen in der SPÖ, dass mit einem anderen Parteichef als Kern die Chancen auf erfolgreiche Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP größer sind.

Kronen Zeitung

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