SPÖ-Regierungschef Christian Kern könnte seinen Parteikollegen Alfred Gusenbauer ablösen, der von 2007 bis 2008 nur 691 Tage die Amtsgeschäfte führte. Auch der längstdienende Bundeskanzler war mit Bruno Kreisky ein Sozialdemokrat.
In der Ersten Republik von 1918 bis 1938 gaben sich insgesamt 27 Kabinette unter - rechnet man den Hitler-gesteuerten Nazi Artur Seyß-Inquart dazu - 14 Bundeskanzlern die Klinke in die Hand. Eine Demissionierung jagte die nächste. Die kürzeste Regierungszeit hatte der Christlich-Soziale Walter Breisky. Er durfte von 26. auf 27. Jänner 1922 für einen Tag die Amtsgeschäfte führen. Ein "Rekord", der wohl nicht zu brechen ist.
Die politische Kultur in der Zweiten Republik hat sich zum Glück verändert. Es gab einige lange Regierungsperioden, aber nur wenige - unbeabsichtigter Wortwitz - Kurz-Kanzler.
Sowohl am einen als auch am anderen Ende der Skala steht ein SPÖ-Kanzler. Über 13 Jahre oder 4781 Tage war Bruno Kreisky im Amt. Auch auf Platz zwei liegt mit Franz Vranitzky ein Roter: Zehneinhalb Jahre, von 1986 bis 1997, oder 3879 Tage dauerte seine Regierungszeit.
Der längstdienende schwarze Kanzler war Julius Raab, der von 1952 bis 1961 genau 2931 Tage an der Spitze der Regierung stand.
Auf Gusenbauer fehlen noch 171 Tage
Die bislang kürzeste Kanzlerschaft hatte mit Alfred Gusenbauer ebenfalls ein Sozialdemokrat inne: 691 Tage durfte er von 2007 bis 2008 die Amtsgeschäfte führen, ehe es dem Koalitionspartner wieder einmal reichte. "Gusi" dürfte aber seinen Rekord mit ziemlicher Sicherheit bald los sein.
Christian Kern ist mit Freitag 521 Tage im Amt. Im Schnitt dauern Koalitionsverhandlungen 60 Tage, die längsten dauerten bislang 1962/63 129 Tage. Erst am 9. April 2018 wäre er einen Tag länger im Kanzleramt als Parteikollege Gusenbauer. Sollten die Koalitionsverhandlungen nicht auf einen neuen Rekord zusteuern, wird dem SPÖ-Vorsitzenden die Ehre zuteil, als "kürzester" Kanzler vor Kurz gedient zu haben. Diesmal Wortwitz beabsichtigt.
"Grundsätze gehen vor Machterhalt"
Mit genau 50 Jahren kam Kern am 16. Mai 2016 ins Amt - und mit 51 wird er es höchstwahrscheinlich verlassen. Der letzte Strohhalm von Christian Kern für den Verbleib als Bundeskanzler wäre wohl eine Koalition mit der Strache-FPÖ, die Chancen dafür hat der (Noch)-Kanzler am Freitag in Brüssel aber als "im Tausendstel-Promille-Bereich" liegend bezeichnet.
Kern müsste mit Traditionen, Überzeugungen und Versprechungen brechen. "Grundsätze gehen vor Machterhalt", wird Kern in der Biografie von Robert Misik zitiert. Danach würden sich die Leute sehnen. Wofür wird sich Christian Kern selbst entscheiden?
Clemens Zavarsky
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