Nach den Treffen mit NEOS, Liste Pilz und FPÖ hat der mit der Regierungsbildung beauftragte ÖVP-Chef Sebastian Kurz am Sonntagabend auch ein Sondierungsgespräch mit dem SPÖ-Vorsitzenden und Bundeskanzler Christian Kern geführt. Kurz und Kern sprachen danach von einem konstruktiven Treffen. Formelle Koalitionsgespräche zeichnen sich aber zwischen ÖVP und FPÖ ab - die SPÖ werde sich daher auf die Opposition vorbereiten.
Kurz und Kern haben das in den vergangenen eineinhalb Jahren gemeinsamer Regierung und im Wahlkampf ausgegrabene Kriegsbeil zwischen ÖVP und SPÖ am Sonntag quasi offiziell begraben. Die Vorfälle und das "Dirty Campaigning" im Wahlkampf wurden "besprochen, abgeschlossen und erledigt", berichtete Kurz nach dem nur knapp 50-minütigen Aufeinandertreffen. Auch Kern meinte danach, dass die "Vergangenheitsbewältigung positiv abgeschlossen" worden sei. "Da gab es viele Verletzungen und auch viel Frust auf SPÖ-Seite. Alles das ist Vergangenheit, jetzt heißt es nach vorne schauen", so Kern.
Kurz: "Kern hat mir versichert, dass er Parteichef bleiben möchte"
Ob eine neuerliche Koalition zwischen ÖVP und SPÖ nach dem abgekühlten Verhältnis überhaupt realistisch ist, ließ Kurz offen. Für ihn sei derzeit noch unklar, wohin die Reise in der SPÖ gehen soll. Er orte derzeit "unterschiedliche Strömungen" in der SPÖ, nämlich Regierungsbeteiligung, Rot-Blau und Opposition. In den nächsten Tagen erwarte er sich ein klareres Bild, wohin die SPÖ tendiert. "Christian Kern hat mir heute versichert, dass er Parteichef ist und auch bleiben möchte", sagte Kurz.
Kern: "Werden uns ab morgen auf Opposition vorbereiten"
Für den SPÖ-Vorsitzenden und Bundeskanzler scheint der Weg hingegen klar: Kern rechnet fix mit Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ und einer schwarz-blauen Regierung. "Dieser Weg ist eindeutig vorgezeichnet", so Kern. Nachsatz: "Seit Monaten." Die Folgen für die SPÖ: "Wir werden uns ab morgen auf die Opposition und auf unsere Rolle im Parlament vorbereiten", so der Bundeskanzler. Spekulationen über einen möglichen Rückzug - am Montag tagen die Parteigremien der Sozialdemokraten - wies Kern neuerlich zurück. Auf die Frage, ob er in der nächsten Legislaturperiode die Rolle des Oppositionsführers übernehmen werde, meinte er bestimmt: "Davon können sie ausgehen." Auch wenn ihm klar sei, dass es "manche gibt, denen das nicht gefällt".
"In vielen Fragen inhaltliche Übereinstimmungen mit der FPÖ"
ÖVP-Chef Kurz wollte sich nach dem Abschluss der Sondierungsgespräche noch nicht zu einer Koalitionsansage hinreißen lassen. Er werde in den nächsten Tagen noch das eine oder andere Telefonat führen, dann noch einmal mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen reden und erst danach mitteilen, wen man zu Koalitionsgesprächen einladen werde. Kurz strich freilich neuerlich das gute Gesprächsklima mit der FPÖ und ihrem Parteichef Heinz-Christian Strache hervor. "Es gibt in vielen Fragen inhaltliche Übereinstimmungen und Überschneidungen mit der FPÖ", so Kurz. Da und dort bestünden auch Differenzen, einig sei man sich wiederum im Wunsch nach Veränderungen in und für Österreich.
Minderheitsregierung "definitiv nur ein Plan B"
Unabhängig vom künftigen Partner brauche es jedenfalls einen neuen Stil und eine neue Form der Zusammenarbeit in der Bundesregierung, so Kurz. Eine Minderheitsregierung strebt der ÖVP-Chef nicht an. "Das ist eine Variante, aber definitiv nur ein Plan B. Das Ziel ist eine stabile Regierung, um die notwendigen Veränderungen und Reformen anzugehen."
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