Unter dem Titel "Erklärung von Sebastian Kurz" hat der Wahlsieger und ÖVP-Obmann am Dienstagvormittag zu einem kurzfristig einberufenen Pressegespräch in der Bundesparteizentrale in der Wiener Lichtenfelsgasse eingeladen. Dabei kündigte er an, mit der FPÖ in Koalitionsverhandlungen zu gehen. Kurz versprach, die Gespräche zügig zu führen, bis Weihnachten sollte eine stabile Regierung stehen, hofft er.
Die SPÖ habe sich für Regierungsverhandlungen selbst aus dem Spiel genommen, hatte es bereits zuvor aus Kreisen der Volkspartei geheißen. Er habe den Eindruck gewonnen, dass es bei der SPÖ zwar ein Interesse an einer rot-türkisen Koalition, nicht aber an einer türkis-roten gebe, so Kurz. Die Gespräche mit der FPÖ, bei der er den Willen zur Veränderung geortet habe, sollen zügig beginnen, so der ÖVP-Chef, einen konkreten Termin nannte er aber vorerst nicht.
"Starker Gestaltungswille bei FPÖ vorhanden"
Mit den Freiheitlichen gebe es "inhaltlich einiges, das verbindet", und auch einiges, das die möglichen Partner trennt, so Kurz. Im Gespräch mit Parteichef Heinz-Christian Strache habe er den Eindruck gewonnen, "dass ein starker Gestaltungswille vorhanden ist und der Wille, eine Veränderung in Österreich gemeinsam zu bewirken".
"Ich glaube, dass sich Österreich eine rasche und schnelle Regierungsbildung verdient", so der ÖVP-Obmann. Es soll eine "stabile Regierung mit ordentlicher Mehrheit" geben: "Daher habe ich mich entschieden, heute Heinz-Christian Strache und die FPÖ einzuladen, in Regierungsverhandlungen einzutreten, um eine türkis-blaue Regierung vorzubereiten." Er hofft, dass die FPÖ diese Einladung annimmt - was kurz nach Mittag auch geschehen ist.
Pochen auf proeuropäische Haltung
Voraussetzungen für die neue Bundesregierung seien ein neuer, respektvoller Stil in der Koalition und im Parlament, der Wille für Veränderungen sowie die proeuropäische Ausrichtung. Es sei entscheidend, dass die Regierung die Kraft habe, notwendige Veränderungen im Land einzuleiten und Strukturen aufzubrechen, um etwa eine Steuersenkung zu ermöglichen. Die proeuropäische Position sei eine Grundvoraussetzung, bekräftigte Kurz: "Österreich kann nur stark sein, wenn wir in Europa aktiv mitarbeiten", insbesondere mit Blick auf den EU-Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2018.
Verhandlungen starten "im Idealfall morgen"
Neben einem klaren Bekenntnis zur EU brauche es den Willen, diese mitzugestalten. Kurz sprach sich hier für ein subsidiäres Europa aus, bei dem in den großen Fragen stärker zusammengearbeitet wird. Regierungsverhandlungen dauern im Schnitt 60 Tage, meinte der ÖVP-Obmann weiter und versprach, die Gespräche zügig zu führen. Einen Termin für den Start der Verhandlungen gebe es zwar noch nicht, er will aber jedenfalls rasch loslegen: "Ich würde mir wünschen, dass wir im Idealfall schon morgen beginnen."
Am Montag hatte Kurz Bundespräsident Alexander Van der Bellen über den Stand seiner Gespräche zur Regierungsbildung informiert. Fertig werden will der ÖVP-Obmann bis Weihnachten, wobei es "eher schneller als langsamer" gehen solle.
Mikl-Leitner: "Bedauerlich, dass Kern in Opposition gehen will"
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) kommentierte die somit beginnenden Koalitionsverhandlungen gegenüber krone.at folgendermaßen: "Es ist bedauerlich, dass SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern bereits jetzt für sich entschieden hat, in die Opposition zu gehen." Von Mitarbeitern der Landeshauptfrau wird allerdings betont, dass sie keinesfalls gegen Türkis-Blau sei. In puncto Verhandlungen vertraue sie Kurz "voll und ganz".
Regierungsbildung dauert im Schnitt 60 Tage
Sollten Volkspartei und Freiheitliche durchschnittlich lange über die künftige Koalition verhandeln, müssten sie vor Weihnachten fertig sein. Im langjährigen Schnitt dauerte die Regierungsbildung nämlich 60 Tage. Seit den 1990er-Jahren dauerten Koalitionsverhandlungen in Österreich aber meist länger. Nach der letzten Nationalratswahl 2013 nahmen die Gespräche zwischen SPÖ und ÖVP 78 Tage in Anspruch, 2008 waren es 65 und 2006 gar 102 Tage.
Die ÖVP wurde bei der Nationalratswahl am 15. Oktober stimmenstärkste Partei. Die FPÖ landete auf dem dritten Platz, knapp hinter der SPÖ.
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