Posten und EU-Frage

Darüber könnten Türkis und Blau noch stolpern

Österreich
25.10.2017 06:00

Nach letzten Telefonaten und Besprechungen war es am Dienstag um 10.40 Uhr so weit: ÖVP-Kanzlerkandidat Sebastian Kurz hat "entschieden, die FPÖ zu Gesprächen einzuladen, um eine türkis-blaue Regierung vorzubereiten". Drei Stunden später hat FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache die Einladung für die Koalitionsverhandlungen angenommen - mit dem Zusatz, dass es die Freiheitlichen "der ÖVP nicht leicht machen" werden. Dahinter verbirgt sich mehr als das übliche Kräftemessen. Die Geschwindigkeit kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auf dem Weg zu einem türkis-blauen Pakt einige Stolpersteine gibt.

"Die ÖVP wohnt in einer Gegend, in die wir erst hineinkommen. Wir sind nicht ortskundig" - mit dieser Erklärung signalisierte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl der türkisen Wahlsieger-Partei von Kurz gleich einmal, dass die Freiheitlichen bei den Verhandlungen zur Bildung einer gemeinsamen Koalition nichts überstürzen werden. Der von ÖVP-Chef Kurz zuletzt angepeilte Abschlusstermin für ein Regierungsübereinkommen noch "vor Weihnachten" hat für die FPÖ keine Gültigkeit.

FPÖ beharrt auf Kassasturz vor Verhandlungen
Vorerst wolle man einmal einen Kassasturz machen, also wissen, was die bisherige Regierung von SPÖ und ÖVP tatsächlich hinterlassen hat. "Es gibt keinen Grund für überhastete Verhandlungen", sagt dazu Strache. Auch die Freundlichkeiten an seine Adresse werden von Strache eher kühl abgetan: "An Schmeicheleien sind wir nicht interessiert." Inhaltlich sieht man zwar auch bei der FPÖ einige Gemeinsamkeiten, aber bereits bei der EU-Frage betonen die Vertrauten um Strache bereits die möglichen Differenzen. Europa-Liebe sei zu wenig, so FPÖ-Generalsekretär Kickl. "Wenn man jemanden liebt, heißt das nicht, dass man immer lieb zu ihm ist."

Video: Strache sagt Ja zu Verhandlungen mit Kurz

Blaue Wunschressorts als Stolpersteine?
Die Freiheitlichen könnten noch eine zweite Hürde aufbauen, die sich bereits an Straches Verhandlungsteam abzeichnen dürfte: die möglichen Personalwünsche für Ministerposten im Finanz- und Sozialressort und besonders dem Außenamt. Da hätte die FPÖ durchaus einige Kandidaten aufzubieten, die für die ÖVP schwer akzeptabel sein könnten.

Kurz sagt, dass er im Sondierungsgespräch mit FPÖ-Chef Strache fast unmittelbar nach seinem Wahlsieg den Eindruck gewonnen hat, dass ein starker Gestaltungswille und der Wille zur Veränderung vorhanden seien.

Video: Kurz will Regierung bis Weihnachten

Inhaltlich gebe es jedenfalls einiges, das ÖVP und FPÖ verbinde. Allerdings sieht Kurz auch Bereiche, die ihn von seinem möglichen Regierungspartner trennen. Genannt wird hier vor allem die Positionierung gegenüber der EU. Im Gegensatz zur FPÖ, die dem Tempo von Kurz mit Skepsis gegenübersteht, drängt Kurz auf einen eher raschen Abschluss der Verhandlungen. Österreich habe sich eine schnelle Regierungsbildung und eine stabile Regierung mit einer ordentlichen Mehrheit verdient, so der Außenminister.

Kurz: Neuer Stil Voraussetzung für Veränderungen
Mehrfach betont wird von Kurz aber auch, dass er in einer neuen Koalition großen Wert auf einen respektvollen Umgang lege. Ein neuer Stil sei Voraussetzung, dass man Veränderungen im Land einleiten, Strukturen aufbrechen kann, um unter anderem Steuersenkungen zu ermöglichen. Dem von außen wahrnehmbaren Esprit und Optimismus stehen im Hintergrund durchaus Bedenken gegenüber. Im Team von ÖVP-Chef Kurz wird vor allem befürchtet, dass die Freiheitlichen bei ihren Ressortwünschen und den Ministerposten eventuell noch schwer erfüllbare Forderungen stellen.

Kronen Zeitung/krone.at

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