ÖVP und FPÖ haben Mittwochmittag im Palais Niederösterreich in Wien die erste Runde der Koalitionsverhandlungen absolviert. "Sebastian Kurz hat schon in den Tagen zuvor in den Sondierungsgesprächen gezeigt, dass dahinter ein aufrichtiger Mensch steckt, dem es ein grundlegendes Anliegen ist, unser Land in eine nachhaltige, bessere Zukunftsentwicklung zu führen", streute FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache seinem ÖVP-Gegenüber nach der ersten Gesprächsrunde Rosen. Auch Kurz lobte das gute Gesprächsklima mit Strache: "Wir sind mittlerweile per Du." Am Montag folgt die zweite Gesprächsrunde.
Wie Kurz nach der ersten Verhandlungsrunde bekannt gab, wollen beide Parteien als Erstes eine umfassende budgetäre Bestandsaufnahme - einen sogenannten Kassasturz - machen. Am Montag will sich daher die Steuerungsgruppe das nächste Mal treffen und dann sollen auch Experten aus dem Finanzministerium beigezogen werden.
Fünf Themen-Cluster und meherere Fachgruppen
Kurz betonte, dass es hier nicht nur um das Budget des Staates, sondern vor allem um die einzelnen Ressortbudgets gehe. Auch verwies der Außenminister auf seine Erfahrung aus bisherigen Regierungsverhandlungen: Er habe erlebt, dass verschiedene Fachgruppen Verhandlungen ohne Budgetvorgaben begonnen hätten. "Das kann nicht funktionieren", damals sei wertvolle Zeit verloren gegangen. Daher sei es richtig, dass man zuerst den Schritt setzt, sich über das Budget einen Überblick zu verschaffen. Zusätzlich werden fünf Untergruppen installiert, die sich um die Fragen Soziales, Standort, Zukunft, Sicherheit sowie um Staat und Gesellschaft kümmern sollen. Auf einer Ebene darunter werden die Fachgruppen angesiedelt, in denen die inhaltliche Arbeit stattfinden soll - und die sich thematisch an der Ressortverteilung orientieren.
"Gespräche auf Augenhöhe"
Die erste Unterredung der Verhandler dauerte mehr als zweieinhalb Stunden. Sowohl Kurz als auch Strache sprachen im Anschluss von einer positiven Atmosphäre und einem guten Start. Ressorts waren dabei zunächst noch kein Thema, so Strache, der wie Kurz "Gespräche auf Augenhöhe" versprach. Beim ersten Termin sei außerdem besprochen worden, wie die nächsten Tage und Wochen strukturiert werden, schließlich handle es sich um einen relativ komplexen Prozess, erklärte Kurz. Bis Weihnachten soll die neue Koalition optimalerweise stehen, aber die Qualität müsse an erster Stelle stehen. "Es werden sicher auch schwierigere Phasen kommen", so der 31-jährige Kurz.
Video: Strache und sein Team am Weg zu den Koalitionsverhandlungen
Straches erste Koalitionsverhandlungen als FPÖ-Chef
Unter Straches Obmannschaft ist es übrigens die erste Einladung zu Koalitionsverhandlungen. Die FPÖ war aber bereits in drei Regierungen vertreten, somit handle es sich um die vierten dementsprechenden Verhandlungen, so Strache. Natürlich habe er sich Tipps geholt - von wem, verriet er allerdings nicht. Die FPÖ bereite sich "seit Jahren" auf diese Situation vor. Die ÖVP habe zwar einen "Wissensvorsprung", da sie seit 31 Jahren in Regierungsverantwortung stehe, nun sollen jedoch alle Information transparent auf den Tisch.
Blaue Wunschressorts als Stolpersteine?
Kurz hatte die Freiheitlichen am Dienstag zu Regierungsverhandlungen eingeladen. Diese nahmen das Angebot umgehend an. Die General-Verhandlungsteams wurden ebenfalls sogleich bekannt gegeben und bestehen aus jeweils fünf Mitgliedern. Stolpersteine könnten die möglichen Personalwünsche für Ministerposten im Finanz- und Sozialressort und besonders dem Außenamt sein. Da hätte die FPÖ einige Kandidaten aufzubieten, die für die ÖVP schwer zu akzeptieren sein könnten.
Budgetäre Ausgangslage deutlich besser als 2013
Die finanzielle Ausgangslage für die schwarz-blauen Koalitionsverhandlungen ist vergleichsweise günstig: Wurden die Regierungsverhandlungen 2013 noch von einer Debatte über ein milliardenschweres "Budgetloch" überschattet, hinterlässt die scheidende Regierung nun ein sinkendes Defizit. Dank des starken Wirtschaftswachstums wäre ein Nulldefizit 2019 auch ohne weitere Sparmaßnahmen möglich. Die aktuelle Einschätzung der Budgetlage hat Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) am Tag nach der Wahl nach Brüssel gemeldet.
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