Nach dem Auftakt der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ ist für Anfang kommender Woche ein sogenannter Kassasturz geplant, um zu klären, wo man finanziell steht, erklärte Sebastian Kurz nach der ersten Gesprächsrunde am Mittwoch. Danach gehe es dem ÖVP-Chef zufolge darum, die Ziele zu definieren, zu klären, wo man hin will und welche Veränderungen nötig sind. Die große Frage lautet also: Wie viele Milliarden Euro sind da, um echte Reformen in Angriff zu nehmen. Laut ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling ist die Ausgangslage relativ günstig.
Durch den Kassasturzes soll das Fundament gebildet werden, auf dem man aufbaue, erklärte auch Heinz-Christian Strache am Mittwochnachmittag. Kurz betonte, dass es hier nicht nur um das Budget des Staates, sondern vor allem um die einzelnen Ressortbudgets gehe. Auch verwies Kurz auf seine Erfahrung aus bisherigen Regierungsverhandlungen: Er habe erlebt, dass Verhandlungen ohne Budgetvorgaben begonnen hätten. "Das kann nicht funktionieren", damals sei wertvolle Zeit verloren gegangen. Daher sei es richtig, dass man sich zuerst über das Budget einen Überblick verschafft.
25 Fachgruppen für Verhandlungen
Die zentrale Verhandlungsthemen lauten "Soziales, Fairness und neue Gerechtigkeit", "Sicherheit, Ordnung und Heimatschutz", "Staat und Gesellschaft" sowie "Standort" und "Zukunft". Diese Cluster sollen dazu dienen, eine "gewisse Struktur" in die Verhandlungen zu bringen und den "komplexen Prozess halbwegs steuerbar zu erhalten", so Kurz. Diesen Clustern sind 25 Fachgruppen, deren Leiter kommende Woche präsentiert werden, untergeordnet.
Video: FPÖ-Team am Weg zu den Koalitionsverhandlungen
Laut Schelling relativ günstige Ausgangslage
Finanzminister Schelling zufolge ist die finanzielle Ausgangslage für die Verhandlungen vergleichsweise günstig: Wurden die Regierungsverhandlungen 2013 noch von einer Debatte über ein milliardenschweres "Budgetloch" überschattet, hinterlässt die scheidende Regierung nun ein sinkendes Defizit. Dank des starken Wirtschaftswachstums wäre ein Nulldefizit 2019 auch ohne weitere Sparmaßnahmen möglich.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) geht in seiner jüngsten Mittelfristprognose ebenfalls von einem Rückgang des Defizits aus. Sollte die "hohe Ausgabendisziplin" beibehalten werden, würde 2019 ein Nulldefizit erreicht, ab 2020 ein Budgetüberschuss. Der Schuldenstand sinkt damit auf 63,9 Prozent. Die auf EU-Ebene vorgegebene Grenze von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung wäre somit in Reichweite.
Völlig andere Ausgangslage als 2013
Damit unterscheidet sich die Ausgangslage massiv von jener des Jahres 2013: Damals hatte die Regierung den Finanzrahmen weitgehend unverändert verlängert. Weder die zwischenzeitlich eingetrübte Wirtschaftsprognose für das laufende Jahr noch das aktuelle Gutachten der Pensionskommission wurden berücksichtigt, auch Bankenhilfen waren nicht eingeplant und die Verpflichtung zum "strukturellen Nulldefizit" wurde ignoriert. Ergebnis war ein "Kassasturz" nach der Wahl und eine heftige "Budgetloch-Debatte" bei den Koalitionsverhandlungen.
Zwar hat auch die aktuelle Regierung im Wahlkampf keinen neuen Finanzrahmen mehr vorgelegt. Im Unterschied zu 2013 zeigt das Wirtschaftswachstum diesmal aber nach oben. Auch die Pensionskosten entwickeln sich seit mehreren Jahren günstiger als erwartet.
Gutes Gesprächsklima bei erster Verhandlungsrunde
Die ÖVP und die FPÖ haben Mittwochmittag im Palais Niederösterreich in Wien die erste Runde der Koalitionsverhandlungen absolviert. Beide Seiten lobten danach das gute Gesprächsklima. "Sebastian Kurz hat schon in den Tagen zuvor in den Sondierungsgesprächen gezeigt, dass dahinter ein aufrichtiger Mensch steckt, dem es ein grundlegendes Anliegen ist, unser Land in eine nachhaltige, bessere Zukunftsentwicklung zu führen", erklärte Strache.
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