Noch bevor am kommenden Montag die Gruppen der Chefverhandler von ÖVP und FPÖ zu ihrer ersten konkreteren Besprechung zusammentreffen, trudeln bei den türkis-blauen Teams schon zahlreiche Forderungen von den üblichen Verdächtigen ein. Mit ihren Querschüssen beansprucht das "alte System" aus Ländern, Bünden und Interessensvertretern seine "wohlerworbenen Rechte" und gewohnheitsmäßigen Ansprüche.
Aus der Deckung gehen bisher nur wenige mit ihren Wünschen und Ansprüchen an die vermutlich nächste Regierung zwischen ÖVP und FPÖ. Lediglich die Sozialpartner wie der ÖGB, die Arbeiter- und Wirtschaftskammer haben zuletzt mehrfach ihre Bedeutung für die Republik betont. In den ORF-Fernsehnachrichten deponierte etwa Wiens Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck noch vor dem eigentlichen Beginn der türkis-blauen Koalitionsgespräche die klare Botschaft, dass an der Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer keinesfalls gerüttelt werden dürfe.
Noch mehr interveniert wird jedoch im Hintergrund, wie die "Krone" am Donnerstag aus den Parteizentralen erfahren hat. Da werden von den verschiedensten Seiten inhaltliche Positionierungen ebenso unterbreitet wie personelle Vorschläge. Vor allem in den politischen Führungsetagen der Bundesländer war man es bisher gewohnt, bei den Postenbesetzungen ein entscheidendes Wort mitreden zu können. Vorerst geht es aber einmal darum, dass die selbstbewussten Ländervertreter in den fünf Verhandlungsgruppen mit den 25 fachspezifischen Untergruppen vertreten sein wollen.
In der ÖVP hat Kurz Vollmacht
Das Team von ÖVP-Chef Kurz signalisiert, dass man jederzeit bereit ist, Experten aus allen Bereichen und Ländern in die Gruppen aufzunehmen, weil deren Wissen benötigt werde. Allerdings wird auch betont, dass Kurz die alleinige Entscheidungsvollmacht über die inhaltlichen und personellen Fragen der ÖVP für eine etwaige neue Regierung übertragen bekommen hat.
Diese Themen werden aber bei der nächsten türkis-blauen Runde am Montag keine Rolle spielen. Bei dem erneuten Zusammentreffen der Chefverhandler-Gruppen wird der Generalsekretär des Finanzministeriums, Thomas Schmid, die von der FPÖ als "Kassasturz" bezeichnete Bestandsaufnahme über das Budget geben. Man geht dabei auch aufgrund der konjunkturellen Entwicklung von einer verbesserten Situation aus. Der aktuelle Staatshaushalt sei nicht annähernd mit einer der internationalen Finanzkrise geschuldeten Lage unter Ex-Kanzler Werner Faymann und Ex-Finanzminister Michael Spindelegger vergleichbar.
Neue Ministernamen für Bildung und Finanzen
Apropos Finanzministerium: Hier fällt immer öfter der Name der Casinos-Managerin Bettina Glatz-Kremsner als Ressortchefin. Glatz-Kremsner gilt in ihrem Unternehmen allerdings als fast unverzichtbar. Zudem ist ihr jetziger Job erheblich besser bezahlt, als es der einer Ministerin wäre.
In einem anderen Zusammenhang taucht noch ein anderer Name auf: Innenminister Wolfgang Sobotka wird als möglicher Bildungsminister gehandelt. Die Umgangsformen des ehemaligen Musiklehrers werden als "geradezu ideal" für Verhandlungen mit den Gewerkschaftern bezeichnet.
Kommentar von Claus Pándi: Lasst Kurz und sein Team arbeiten
Was sich angesichts der konkreter werdenden türkis-blauen Koalition in den sogenannten sozialen Medien derzeit abspielt, ist nur etwas für lebensüberdrüssige Masochisten. Da wird auf Facebook, Twitter und einem vergleichsweisen bedeutungslosen Wiener Szeneblatt so getan, als stünde mit einem Bundeskanzler Sebastian Kurz und einem Vizekanzler Heinz-Christian Strache die Republik, wenn nicht gleich die ganze Welt, vor ihrem Ende.
Natürlich kommt kein Weltuntergang. Und es wird von heute auf morgen auch nicht alles ganz anders. Dem Staat und seinen Institutionen steht lediglich eine die längste Zeit überfällige Durchlüftung bevor. Wer jetzt auf einmal zur Ansicht gelangt, dass man des morschen Systems aus einer müden SPÖ und alten ÖVP nicht schon seit Jahren überdrüssig war, den kann nur die Gnade völliger Vergesslichkeit ereilt haben.
Die meisten derer, die dunkle Zeiten nahen sehen, fürchten lediglich um ihre Gewohnheiten und ihre Posten, in denen sie es sich so gemütlich eingerichtet hatten. Und dahinter gibt es noch jede Menge Seilschaften, die ausschließlich um ihre Pfründe bangen. Wer sich an den grauslichen Wahlkampf und dessen Hintermänner erinnert, dem fällt vielleicht wieder ein, was wir mit Sicherheit nicht vermissen werden. Kurz und sein Team müssen jetzt ohnehin einmal arbeiten. Das heißt freilich auch, alle diese Vorgänge mit Wachsamkeit, aber ebenso mit Optimismus zu begleiten. Das schadet nicht in einem Land der notorischen Schwarzmaler.
Kronen Zeitung/krone.at
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