ÖVP und FPÖ wollen nun nicht nur beim Budget, sondern auch bei der Arbeitslosenstatistik einen Kassasturz machen. Denn im Zuge der ersten Gespräche mit den Experten sei einiges an Tageslicht gekommen, das auf Tricks mit den Zahlen hindeute, so sickerte es am Dienstag aus Verhandlerkreisen durch. Tatsächlich dürften Tausende Arbeitslose nicht im System vermerkt sein.
Die durchaus eigenwillig anmutende Praxis, auf die die Experten von ÖVP und FPÖ gestoßen sind, ist ganz offensichtlich gang und gäbe. So richtig scheint sich bisher noch niemand Gedanken darüber gemacht zu haben, wer in der Arbeitslosenstatistik auftaucht beziehungsweise eben nicht auftaucht. Denn durchaus nicht jeder, der ohne Job ist, scheint auch in den offiziellen Zahlen auf.
Einfachste Sprachniveau als Voraussetzung
Hinter den verschlossenen Verhandlungstüren im Palais Niederösterreich in der Wiener Innenstadt kam nun also zutage, dass Asylberechtigte, die nicht ausreichend Deutsch können und keine Beschäftigung haben, nicht in der Statistik aufscheinen.
Das funktioniert folgendermaßen: Eine Vormerkung als arbeitslos und damit eine entsprechende Vermittlung durch das Arbeitsmarktservice (AMS) wird erst dann vorgenommen, wenn die betreffende Person das Sprachniveau A1 erreicht hat. Laut Definition ist dies das Anfängerniveau: Verstehen von einfachsten Hör- und Lesetexten, Angaben zur eigenen Person machen, mit anderen Personen in Kontakt treten sowie die Teilnahme an einfachen Gesprächen.
Alle Asylberechtigten, die gar nicht oder kaum Deutsch sprechen, werden also vom System nicht erfasst. Sie nehmen zwar vielleicht an Alphabetisierungskursen der Länder teil, sind aber nicht in einer AMS-Schulung und somit offiziell auch nicht arbeitslos.
"Es könnten mehrere Tausend Personen sein"
Wie viele Personen auf diese Art und Weise tatsächlich aus der Statistik gerechnet werden, ist noch nicht klar. Die von ÖVP und FPÖ zugezogenen Experten schätzen, dass es sich um "mehrere Tausend" handeln könnte.
Dem Vernehmen nach wollen Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache nun nicht nur beim Budget, sondern auch bei den Arbeitslosenzahlen einen Kassasturz machen und sich die Daten ganz genau anschauen. Dafür werden auch Experten des Sozialministeriums zu den Gesprächen eingeladen.
Laut offiziellen Zahlen waren im September 302.843 Menschen ohne Job, mehr als 72.000, die auch arbeitslos waren, befanden sich in Schulungen.
Doris Vettermann, Kronen Zeitung
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