Hätte die Bluttat in Stiwoll am vergangenen Sonntag womöglich verhindert werden können? Wurde das tatsächliche Gewaltpotenzial des mutmaßlichen Doppelmörders im Vorfeld einfach nicht erkannt? Wie berichtet, war der 66-jährige Friedrich F. in der Vergangenheit immer wieder ins Visier der Polizei geraten - und auch mehrmals von einem Grazer Psychiater untersucht worden. Der jedoch dürfte den nun dringend Tatverdächtigen als ungefährlich eingestuft haben.
Der 66-Jährige hatte in der Vergangenheit nicht nur einmal die Polizei beschäftigt. So gab es Ermittlungen gegen ihn etwa wegen übler Nachrede, gefährlicher Drohung, Wiederbetätigung und versuchter Nötigung. Und nicht nur einmal wurde Friedrich F. auch vom Grazer Psychiater Manfred Walzl untersucht, allein dreimal im Auftrag der Leobener Staatsanwaltschaft.
Im Vorjahr bereits in Psychiatrie
Ende Oktober des Vorjahres wurde der mutmaßliche Doppelmörder sogar 36,5 Stunden lang in der Psychiatrie untergebracht - auf Weisung des Amtsarztes. Wie der Leiter der Staatsanwaltschaft Leoben, Walter Plöbst, näher ausführte, hatte der 66-Jährige im Vorfeld zwei Tage lang versucht, beim Präsidenten des Oberlandesgerichts Graz, Manfred Scaria, vorzusprechen.
Er wurde daraufhin bei der Polizei vorgeladen und schließlich in die Psychiatrie eingeliefert. Nach einer Hausdurchsuchung wurde gegen den 66-Jährigen überdies ein Hausverbot im Landesgericht Graz verhängt und ein Waffenverbot gegen ihn ausgesprochen.
Gefahr einer "Straftat mit schweren Folgen" war nicht gegeben
Kurz darauf kam es zur psychiatrischen Untersuchung, bei der Walzl den 66-Jährigen zwar als nicht zurechnungsfähig einstufte, jedoch auch als nicht gefährlich. Die Gefahr einer "Straftat mit schweren Folgen" sei laut Plöbst demnach nicht gegeben gewesen - und somit auch keine Voraussetzungen für eine Unterbringung.
Strenge Bedingungen bei Unterbringungsgesetz
Das betreffende Unterbringungsgesetz ist an strenge Bedingungen geknüpft: Nur jene dürfen untergebracht werden, die an einer psychischen Krankheit leiden. Diese muss das Leben bzw. den gesundheitlichen Zustand des Betroffenen sowie auch der Mitmenschen ernstlich und erheblich gefährden. Davon betroffen sind auch jene Menschen, die "nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer psychiatrischen Abteilung, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden können", so Plöbst. Ein Arzt muss schließlich bescheinigen, dass alle Voraussetzungen für eine Unterbringung gegeben sind.
Erinnerungen an Bluttat am Wiener Brunnenmarkt
In diesem Zusammenhang werden auch Erinnerungen an die Bluttat am Wiener Brunnenmarkt im Mai 2016 wach. Damals hatte ein amtsbekannter, psychisch kranker Mann eine Frau mit einer Eisenstange attackiert und getötet.
Eine von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) eingerichtete Sonderkommission ortete danach einen mangelhaften Informationsfluss zwischen den Behörden, was die Unterbringung psychisch Kranker betrifft. "Zu groß" sei die "Zurückhaltung bei der Polizei, eine Unterbringung zu veranlassen", erklärte damals auch Soko-Leiter Helfried Haas und sprach sich für Schulungen von Beamten und Amtsärzten aus.
Grazer Psychiater untersuchte auch Amokfahrer Alen R.
Der Grazer Schlafforscher und Gerichtspsychiater Manfred Walzl, der den 66-jährigen Steirer begutachtete, hatte auch den Grazer Amokfahrer untersucht und war zu dem Schluss gekommen war, der 27-Jährige sei zurechnungsfähig. Zu einer gegenteiligen Meinung kam sein Kollege Peter Hofmann, der den Mann kurz nach der Tat wegen "paranoider Schizophrenie" für zurechnungsunfähig einstufte. Deshalb wurde im Verfahren gegen Alen R. der deutsche Experte Jürgen Müller hinzugezogen, der sich Hofmanns Meinung anschloss.
Walzl hätte auch als Gutachter die Kinder jenes steirischen Arztes untersuchen sollen, der wegen Quälerei angeklagt war, schlussendlich jedoch freigesprochen wurde. Der Mediziner lehnte die Untersuchung jedoch ab und begründete das damit, dass er die Familie kenne und dass es Interventionen gegeben habe. Walzl war am Donnerstag und Freitag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
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