Gerade noch war er der dauerstrahlende Sieger und erlebte seinen zweiten politischen Frühling. Doch auf den Höhenflug folgte der tiefe Fall: Peter Pilz (63), ehemaliger Grüner und dann Gründer seiner eigenen Liste, nahm am Samstag wegen Vorwürfen der sexuellen Belästigung seinen Hut. Noch gibt es in der Causa einige Fragezeichen. Im Ö1-"Morgenjournal" erklärte Pilz Montagfrüh, dass er sich nicht aus der Politik zurückziehen würde. Ein Rücktritt vom Rücktritt?
"Denjenigen, die mich und meine Liste kaputtmachen wollen, weil sie keine Opposition gegen Schwarz-Blau und keine Konkurrenz haben wollen, denen schreibe ich ins Stammbuch: 'Ich ziehe mich nicht aus der Politik zurück! Mit Sicherheit nicht!'", so Pilz. Befragt, ob das der Rückzug vom Rückzug sei, erklärte er: "Nein, ich werde mich bis Mittwoch entscheiden, wie ich mit meinem Mandat umgehe."
Er kenne die politischen Hintergründe besser als noch zwei Tage zuvor, so Pilz. "Ich weiß heute viel mehr, wie und wer hier Vorwürfe konstruiert hat. Ich werde das alles in den nächsten Tagen veröffentlichen." Versuche, ihn politisch zu zerstören, werde er nicht akzeptieren und sich dagegen wehren, kündigte Pilz an.
Was wird Peter Pilz vorgeworfen?
Da sind einerseits die Anschuldigungen seiner ehemaligen persönlichen Assistentin und Sekretärin. Die junge Frau hat 40 Fälle dokumentiert, sie hat sich an eine Vertrauensperson bei den Grünen und danach im Jahr 2016 an die Gleichbehandlungsanwaltschaft gewandt. Die Vorwürfe reichen von unpassenden Anreden wie "Schatzi" oder "Baby" bis zu Berührungen und Kussversuchen.
Dann gibt es noch einen Fall beim Europäischen Forum Alpbach im Jahr 2013. Eine Mitarbeiterin der Europäischen Volkspartei gibt an, Pilz habe sie aggressiv begrapscht. Pilz meint dazu, dass er sich nicht erinnern könne.
Für diesen Vorfall gibt es doch Zeugen?
Ja, Oliver Stauber, Anwalt und Gründer der SPÖ-"Sektion ohne Namen", sowie Banker Christian Niedermüller bestätigen die Schilderungen des Opfers. Sie geben an, Pilz von der Frau weggezogen zu haben. Im Interview mit dem "Standard" schildert Stauber nun: "So etwas habe ich überhaupt noch nicht erlebt. Plötzlich ist er auf sie zugegangen, hat sie überall angefasst. Das war schon brutal."
Pilz ortet eine politische Intrige und einen Racheakt seiner Ex-Partei. Welche Rolle spielen die Grünen in der Causa?
Eine schwierige. Nur wenige Personen der grünen Spitze wussten von den Vorwürfen der jungen Sekretärin. Pilz, der von der damaligen Parteichefin Eva Glawischnig damit konfrontiert worden war, leugnete - und das Opfer wollte nicht an die Öffentlichkeit. So waren den Grünen die Hände gebunden, sagen sie.
Allem Anschein nach hatte es also einen tieferen Grund, warum die Grünen Pilz bei ihrem Parteitag im Juni abmontierten. Dass sie ihn dann aber zu einem Vorzugsstimmenwahlkampf überreden und so doch noch halten wollten, wirft ein eher schiefes Licht auf die Partei. Und die Grünen müssen sich auch die Frage gefallen lassen, ob sie außer schweigen nicht doch irgendetwas machen hätten können.
Warum wurden die Vorwürfe nicht im Wahlkampf publik? Das hätte den Grünen doch den Verbleib im Parlament gesichert und Peter Pilz wäre politisch erledigt gewesen.
Dem Vernehmen nach haben die Eingeweihten bei den Grünen alles versucht, um das Opfer davon zu überzeugen, sie von ihrer Verschwiegenheitspflicht zu entbinden und an die Öffentlichkeit zu gehen. Doch die Mitarbeiterin verweigerte dies.
Wer wusste von den Vorwürfen?
Nur wenige Personen. Die grüne Klubführung, und Pilz selbst weihte einige nunmehr einstige Weggefährten ein. Für viele in der Partei scheinen die Vorwürfe aber keine Überraschung zu sein. "Das wundert mich nicht", ist derzeit oft zu hören. Und so manche Grüne, die anonym bleiben möchte, erinnert sich an unangenehme Erlebnisse mit Pilz.
Warum gelangte die Sache jetzt an die Öffentlichkeit? Und wer steckt dahinter?
Die Unterlagen dürften beim Räumen der grünen Büros aufgetaucht sein. Gut möglich, dass sich jemand für den Verlust des Arbeitsplatzes rächen wollte. Nicht ganz unrealistisch klingt auch die Theorie, dass die Wiener Grünen dahinterstecken, die sich vor dem Antreten von Pilz bei den Landtagswahlen gefürchtet haben. Das jüngste Gerücht lautet: Jener ÖVP-nahe PR-Mann, der schon die Vorwürfe rund um Polit-Berater Tal Silberstein und die SPÖ verbreitet haben soll, ist verantwortlich für das Auffliegen der Causa.
Was bedeutet eigentlich der Rücktritt von Peter Pilz für seine Liste?
Nichts Gutes. Die Abgeordneten wollen zwar weitermachen, sie suchen nun einen neuen Namen für die Partei. Dass sich die Truppe ohne ihr bekanntes Zugpferd lange hält, darf aber bezweifelt werden.
Was heißt das alles für die gesamte politische Landschaft?
Die Opposition ist deutlich geschwächt, mit Peter Pilz fällt ein wortgewaltiger Mandatar weg. Die noch orientierungslose SPÖ und die am Boden liegenden Grünen könnten dies aber auch als Chance sehen, sich rasch wieder aufzurappeln.
Doris Vettermann, Kronen Zeitung, krone.at
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