Vor nahezu ausverkauftem Haus lieferten die britischen Rock-Legenden Queen samt Sänger Adam Lambert Mittwochabend in der Wiener Stadthalle eine der buntesten und pompösesten Shows des Konzert Herbstes. Mehr als zwei Stunden lang spielten sich Brian May und Co. durch ihr Repertoire aus mehr als vier Jahrzehnten Bandgeschichte. Vielleicht das wirklich letzte Mal.
Queen-Fans sind schon seit Freddie Mercurys Tod vor 26 Jahren in unterschiedlichste Lager gespalten. Die einen sagen, die Band hätte sich sofort auflösen müssen, andere meinen, Adam Lambert wäre ein adäquater Nachfolger für die wohl beste Rockstimme aller Zeiten. Der vielleicht größte Anteil würde sich eine klarere Abgrenzung der jetzigen Queen mit dem neuen Frontmann zu den "echten" Queen wünschen. Großartige Coverband, hochtalentierte Musicalstafette oder doch würdige Fortsetzung einer der legendärsten Karrieren in der modernen Populärmusik? Im Endeffekt sind diese heißgeführten Diskussionen genauso nötig wie unnötig. Nötig, weil sie die grenzenlose Liebe der Fans ihrer Band gegenüber beweisen. Unnötig, weil der Status quo nun einmal ist, wie er ist. Das bedeutet, Wuschelkopf Brian May und der ewig coole Drummer Roger Taylor stehen das dritte Mal in nur drei Jahren mit dem 35-jährigen Lambert auf einer österreichischen Bühne und werden bejubelt.
Budgetfresser Großkonzert
Mehr als 10.500 Fans haben sich in der nahezu ausverkauften Wiener Stadthalle eingefunden, um ihren Helden zu huldigen. Ähnlich wie bei den Stones hängt auch über Queen das Damoklesschwert der wohlverdienten Pension. Wie oft mögen die musikalischen Begleiter so vieler Generationen tatsächlich noch kommen und konzertieren? Lieber auf Nummer sicher gehen und ordentlich in die Geldbörse greifen, um sich neben einem Sackerl Popcorn und einer Schaumrolle auch noch ein schmuckes 40-Euro-Shirt zu gönnen. Ein Familienbesuch bei einem Großkonzert kann heute schon mal ein Monatsgehalt fressen, aber die Nachfrage bestimmt den Markt und die ist bei den großen Alten ungebrochen.
Queen ist trotz seiner ausufernden Diskografie keine Band, die für große Sensationen zu haben ist und kann sich getrost auf ihre Vielzahl an ewigen Klassikern verlassen. Ein "We Will Rock You" wird noch viele Jahrzehnte zu rhythmischem Klatschen verleiten, "We Are The Champions" ist eine Hymne für die Ewigkeit. Dazwischen liegt viel Spielfreude. Vor allem Roger Taylor merkt man den Schalk im Nacken zu jeder Zeit an, so juvenil und voller Freude verdrischt er sein Kit stets im korrekten Rhythmus. Dazwischen soliert May, als ob es den schleichenden Popularitätsrückgang von Rockmusik gar nicht geben würde und liefert Lambert gekonnt und versiert die goldstimmige Diva auf Plateauschuhen und in rosa Lederkluft. Der Bombast wird zu jeder Sekunde hochgetrieben. Eine überdimensional gebogene Videoleinwand mit bahnbrechenden 3D-Effekten, bunte Laser oder eine durch die Halle reflektierende Discokugel - Hauptsache markant, laut und eingängig.
Das Erbe verwalten
Queen leben von der Nostalgie und der Rückschau auf die großen Zeiten. Mehr als 20 Jahre ist das letzte Studioalbum mittlerweile her und ein neues würde niemand mehr ernsthaft brauchen. Lambert geht selbstsicher, aber auch respektvoll mit dem Erbe Mercurys um und betont nach Ende des ersten Set-Drittels bewusst, dass es nur einen Freddie gab und geben wird. Viel mehr bedankt er sich demütig bei May und Taylor und will gemeinsam mit dem Publikum ein großes gemeinsames Fest feiern. Ein taktisch sehr kluger Zug, mit dem der Frontmann dem Gerede des ewigen Drucks und der ständigen Vergleiche aktiv den Wind aus den Segeln nimmt.
Zum 40-Jahre-Jubiläum des bahnbrechenden "News Of The World"-Albums darf bei "Killer Queen" sogar Roboter-Maskottchen Frank aus dem beweglichen Hallenboden fahren. Der auf ihm sitzende und makellos intonierende Lambert durchkreuzt diese althergebrachte Idylle zwischen Band und Publikum kurzfristig mit anzüglichen Witzen, sorgt damit aber für eine der wenig wirklichen spontanen Aktion an einem perfekten durchgeplanten Abend. Kultsongs wie "Tie Your Mother Down" oder "Fat Bottomed Girls" werden vor allem im ersten Konzertdrittel etwas zu harsch heruntergepredigt, doch mit Fortdauer gewinnt der Gig deutlich an Charme. Etwa dann, als Lambert beim kurz eingeworfenen und seit Jahrzehnten nicht mehr gespielten "Bicycle Race" auf einem plüschigen Fahrrad über die Bühne fetzt oder Brian May wieder sein modernes Lieblingsspielzeug, den Selfie-Stick, auspackt und die treue Fanschar ein ums andere Mal für die Nachwelt festhält.
Adaptierte Traditionen
May parliert mit seinen Anhängern wie gewohnt auf Deutsch, verzichtet bei seinem traditionellen Gitarrensolo aber auf den obligatorischen Donauwalzer. Roger Taylor absolviert sein gewohntes Drum-Battle nicht mit Sohn Rufus, der derzeit mit The Darkness selbst auf Europa-Tour ist, sondern dem aus Nashville stammenden Tyler Warren. Die größten Emotionen können aber immer dann an die Oberfläche, wenn die Songs echte Emotionen transportieren ("Who Wants To Live Forever") und die Legende Freddie per Video-Screen in das Set eingebunden wird.
Das ist erstmals bei der Ballade "Love Of My Life" der Fall, passiert dann noch mehrere Male und wird mit einem Ausschnitt des Songs "Day-Oh" aus der kultigen Wembley-Show 1986 beschlossen. Da hat man auch die seltsame Auswahl des Lambert/P!nk-Songs "Whataya Want From Me" längst vergessen. Das mehr als zweistündige Prunk-Spektakel wird natürlich passend mit goldenem Konfettiregen beschlossen und lässt nur eine Frage offen, die aber für immer unbeantwortet bleiben wird: Darf man das jetzt uneingeschränkt mögen, obwohl Freddie nicht mehr da ist? Die Fakten sagen ja, denn Queen spielen ungebrochen motiviert und souverän in vollgefüllten Hallen. Rock ist eben noch lange nicht tot, er wird nur rasant älter.
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