Wo sind sie jetzt?

Hunderte IS-Kämpfer durften im Konvoi fliehen!

Ausland
14.11.2017 11:12

Vor ungefähr einem Monat ist ein Konvoi der US-geführten Anti-IS-Koalition aus der syrischen Stadt Rakka gefahren. Wer sich in den Bussen und Lkw befand, war lange Zeit unklar. Nun ist gewiss: Es handelte sich um Hunderte IS-Kämpfer und Tausende ihrer Angehörigen. Auch Staatsbürger anderer Länder als Syrien und dem Irak befanden sich darunter.

Die BBC brachte mit aufwendiger Recherchearbeit Licht ins Dunkel der Umstände des Konvois. Der Deal wurde von örtlichen Offiziellen, der kurdisch-arabischen Allianz der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) sowie der US-geführten Anti-IS-Koalition ausverhandelt. Ziel war es, Zivilisten zu schützen und weitere Kämpfe zu vermeiden. Es sollte nicht noch weiteres Blut vergossen werden, wo doch ohnehin schon klar war, dass der IS in seiner einstigen Hochburg Rakka besiegt war. Doch weder die Anti-IS-Koalition noch die SDF wollten Details verraten. So hieß es anfangs immer, dass keinen ausländischen Kämpfern die Flucht aus Rakka gestattet werde.

(Bild: krone.at-Grafik)

Kilometerlanger Konvoi mit über 150 Fahrzeugen
Nicht einmal die angeheuerten Lkw- und Busfahrer waren über die genauen Hintergründe ihres Auftrags informiert. Der Fahrer des ersten Lkw erklärte der BBC, ihm wurde gesagt, der Job würde maximal sechs Stunden lang dauern. Stattdessen mussten er und seine Kollegen drei Tage lang bei widrigsten Bedingungen durch die Wüste fahren. Ihre Ladung: Bis auf die Zähne bewaffnete IS-Kämpfer, die teilweise sogar mit Sprengstoffwesten ausgestattet waren.

Ein anderer Fahrer erklärte, der Konvoi wäre fünf bis sechs Kilometer lang gewesen. Er umfasste demnach fast 50 Lkw, 13 Busse und mehr als 100 Fahrzeuge der Terrormiliz. Eigentlich war vereinbart gewesen, die Kämpfer dürften nur ihre persönlichen Waffen mitnehmen, stattdessen nahmen sie alles mit, was sie tragen konnten. Ganze Trucks wurden mit Munition beladen. Bei einem brach gar eine Achse aufgrund der Last der schweren Munition.

Die völlig zerstörte ehemalige IS-Hochburg Rakka (Bild: Ruptly.TV)
Die völlig zerstörte ehemalige IS-Hochburg Rakka

"Wir haben ungefähr 4000 Personen rausgebracht"
Der Fahrer des ersten Trucks erzählte, sie seien von ungefähr 200 zu transportierenden Personen ausgegangen. "Alleine in meinem Fahrzeug habe ich 112 Leute mitgenommen. Wir haben ungefähr 4000 Personen rausgebracht. Darunter auch Frauen und Kinder, mit unseren Fahrzeugen und den ihren zusammen." Entgegen der Behauptungen von SDF und der Anti-IS-Koalition waren auch Ausländer unter den Kämpfern.

Ein kurdischer Kämpfer in Rakka (Bild: APA/AFP/DELIL SOULEIMAN)
Ein kurdischer Kämpfer in Rakka

Im Mai hatte US-Verteidigungsminister James Mattis noch erklärt, es handle sich beim Kampf gegen den IS um einen Krieg der "Vernichtung". "Unser Ziel ist, dass ausländische Kämpfer nicht überleben, um nach Afrika, Europa, Amerika oder Asien zurückkehren zu können. Das werden wir ihnen nicht erlauben", sagte er. Doch die Aussagen der Fahrer zeigen, dass dies nicht eingehalten wurde: "Da waren sehr viele Ausländer dabei. Franzosen, Türken, Aserbaidschaner, Pakistaner, Jemeniten, Saudis, Chinesen, Tunesier, Ägypter" und viele weitere, berichtete einer.

Viele Ausländer unter den Flüchtigen
Die BBC sprach auch mit dem ehemaligen Geheimdienstchef des IS. Er ist in Haft, nachdem seine Flucht misslungen war. Auch er bestätigt, dass sich viele Ausländer unter den Flüchtigen befänden. Darunter auch Europäer, wie zum Beispiel Franzosen und Tschechen. Der einzige Grund, warum er hinter Gitter sitzt, sei der Schmuggler, den er engagiert hatte. Dieser hatte sich mitten im Gebiet der SDF aus dem Staub gemacht und ihn im Stich gelassen. So konnte der Ex-Chef des IS-Geheimdienstes gefasst werden.

(Bild: Associated Press)

Doch viele Kämpfer schaffen die Flucht und verteilen sich weit hinter der syrisch-türkischen Grenze. Das Schmugglergeschäft boomt. Die Preise für eine Flucht in die Türkei liegen bei 600 US-Dollar für eine Person und mindestens 1500 Dollar für eine Familie. Ein Großteil der Flüchtlinge sei aus dem Ausland, erklärte einer der Schmuggler: "Allein in der letzten Woche habe ich die Flucht von 20 Familien beaufsichtigt. Die meisten waren Ausländer, aber es waren auch Syrer dabei."

Nun Hunderte Kämpfer auf IS-kontrolliertem Gebiet
Der Deal der Anti-IS-Koalition und der SDF mit der Terrormiliz hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Einerseits ist Rakka nun endgültig aus den Fängen des IS befreit und es musste kein weiteres Blut dafür vergossen werden. Das war schließlich das Ziel dieses Deals. Doch andererseits haben sich nun Hunderte Kämpfer und Tausende Angehörige in IS-kontrolliertes Gebiet zurückziehen können. Viele haben mit dem Kampf für das "Kalifat" noch lange nicht abgeschlossen.

Porträt von Thomas Zeitelberger
Thomas Zeitelberger
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