Anfang Oktober ist ein 20-jähriger Wachsoldat in einer Wiener Kaserne durch einen Kopfschuss getötet worden. Nun liegt der "Krone" der Prüfbericht der Versuchsanstalt für Materialprüfung, Sicherheits- und Waffentechnik vor. Demnach repetiert die Standardwaffe des Bundesheeres, das Sturmgewehr 77, in neun von zehn Fällen, wenn es aus einem Meter Höhe fallen gelassen wird und am Boden aufprallt. Ein Zusammenhang mit dem tatsächlichen Abfeuern der Waffe besteht dadurch freilich nicht.
"Beim Fall auf den Kunststoffboden des Schusskanals der EUREGIO HTBLVA Ferlach aus einer Höhe von 1,0 m repetiert das verwendete Waffensystem Steyr AUG in neun von zehn Fällen, wobei die im zehnten Fall aufgetretene Ladehemmung durch die vorangegangenen Fallversuche munitionsbedingt eintrat", so der Wortlaut im Gutachten. "Somit ist das 'Durchrepetieren' des Waffensystems durch einen Fall aus dieser Höhe plausibel."
Repetieren führt nicht zu Schuss
Ein Zusammenhang mit dem tatsächlich gelösten Schuss besteht dadurch aber freilich nicht. Das Repetieren macht die Waffe zwar prinzipiell schussbereit, es steht aber nicht im Zusammenhang mit dem Abdrücken bzw. dem Abfeuern eines Schusses selbst. Zudem verfügt das Gewehr über eine Sicherung, die - sofern aktiv - das Lösen eines Schusses ebenfalls verunmöglicht.
Anwalt ortet Unfall
Die Prüfung wurde von Manfred Arbacher-Stöger (Kanzlei Rifaat), dem Verteidiger des Schützen, in Auftrag gegeben, der den Standpunkt vertritt, dass der Tod des Wachsoldaten ein Unfall gewesen sei. So sei seinem Mandanten Ali Ü. das Sturmgewehr 77 (StG 77) untertags heruntergefallen, wodurch eine Patrone in den Lauf geraten sei. Der 22-jährige U. sitzt seit dem tödlichen Zwischenfall in U-Haft. Ob diese Informationen tatsächlich zu einem der drei möglichen Szenarien passt, die das Drama verursacht haben, steht freilich nicht fest.
"Mit der Waffe 'blöd gespielt'"?
Der Verdächtige erklärte, dass ihm während der Wache das Gewehr auf den Boden geknallt sei. Dafür gibt es auch Zeugen. Die Testreihe legt nun nahe, dass somit eine Patrone auf ähnliche Weise in den Lauf gelangen hätte können. Der Todesschuss soll durch einen Unfall - einen "Stolperer" im Ruheraum - gefallen sein, als beide rauchen gehen wollten. Dafür muss allerdings die Kriegswaffe entsichert sein und es muss der Schuss ausgelöst werden. "Es kann sein, dass sich der junge Mann zuvor mit der Waffe 'blöd gespielt' hat", erklären die Verteidiger Farid Rifaat und Arbacher-Stöger.
Abzug unabsichtlich betätigt?
Der Schusskanal deutet weiters darauf hin, dass das Projektil aus waagrechter Lage in Kniehöhe abgefeuert wurde. Das Opfer lag zum Tatzeitpunkt auf dem Bauch auf der Pritsche und schaute auf sein Handy. Das Projektil traf den jungen Mann im Nacken. Laut den Verteidigern dürfte der Verdächtige (22) bei einer Bewegung unabsichtlich beim Abzug angekommen sein. "Der Soldat im Vorraum hörte kein Repetieren. Es gibt kein Mordmotiv", so Rifaat.
Ablehnungsantrag gegen Sachverständigen
Außerdem wurde ein Ablehnungsantrag gegen den psychiatrischen Sachverständigen Karl Dantendorfer eingebracht. Dieser soll den Beschuldigten aufgefordert haben, "ihm eine nachvollziehbare Unfallversion zu schildern, ansonsten werde der Beschuldigte wegen Mordes angeklagt und aufgrund seines Gutachtens als besonders gefährlich eingestuft", wie es in der Begründung des Ablehnungsantrags heißt. Dantendorfer wies dies zurück: "Das ist alles unzutreffend. Mehr kann ich nicht sagen." Der Sachverständige berief sich in diesem Zusammenhang auf die ärztliche Schweigepflicht, der er unterliegt.
Wie ausführlich berichtet, wird dem jungen Mann vorgeworfen, seinem Kameraden mit einem Sturmgewehr in den Kopf geschossen und ihn dadurch getötet zu haben. Die Familie des Opfers fordert umfangreiche Aufklärung über den Tod des 20-Jährigen.
krone.at, Florian Hitz, Kronen Zeitung
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