Imam schreibt Buch

“So werden Häftlinge zu tickenden Zeitbomben”

Österreich
25.11.2017 07:05

Ramazan Demir, Österreichs höchster Gefängnis-Imam, hat nun ein Buch über die Seelenwelten radikaler Muslime geschrieben. Er sagt: "Unsere Haftanstalten sind Brutstätten für Extremisten!"

Ramazan Demir wirkt wie der nette Mann von nebenan. Kräftig die Statur, gutmütig der Blick. Die Züge um seinen Mund verraten, dass er gerne lacht. Jetzt aber wirkt der 34-Jährige ernst. Die Stirn legt sich in Falten, seine Augen werden dunkler: "Es geht um unser aller Zukunft", sagt er. Um das, was er seit sieben Jahren als Gefängnis-Imam erlebt.

(Bild: APA/HERBERT NEUBAUER)

"Viele geraten in die Fänge von Hetzern"
Die Zahl der in Österreich inhaftierten Muslime steigt stetig an, mittlerweile machen sie fast ein Viertel der - etwa 9000 - Häftlinge aus. Die meisten seiner Glaubensbrüder sitzen wegen Einbruchs- oder Raubdelikten und haben sich in der Vergangenheit wenig mit Religion beschäftigt: "Aber hinter Gittern geraten immer mehr von ihnen in die Fänge von Hetzern", behauptet Demir.

(Symbolbild) (Bild: APA/Herbert Neubauer)
(Symbolbild)

"Häftlinge plötzlich von Hass getrieben"
Mit Hetzern meint der Deutsche islamistische Fanatiker, Männer, die den IS verherrlichen und während Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen nach Mitstreitern für ihre radikalen Ideen suchen. Die "systematische Gehirnwäsche" der Extremisten habe erschreckende Folgen: "Häftlinge, die sich zunächst unauffällig verhalten, mutieren zu tickenden Zeitbomben. Sind plötzlich von Hass getrieben, sprechen davon, Morde begehen zu wollen."

(Bild: Andi Schiel, krone.at-Grafik)

Erst vor etwa einem Monat entdeckte ein Häftling in der Bibliothek der niederösterreichischen Justizanstalt Korneuburg eine salafistische Hetzsschrift. In der Folge sind aus dem Gefängnis rund 30 weitere fragwürdige Bücher entfernt worden.

Behörden reagieren nicht
Auch sein Name stehe auf Todeslisten, sagt Demir: "Weil ich Frieden predige und deshalb für gewaltbereite Islamisten als Ungläubiger gelte." Immer wieder sei er mit Drohungen konfrontiert: "Ich habe Angst. So oft habe ich schon bei den Behörden Alarm geschlagen", sagt der Imam. "Ohne Erfolg. Die Verantwortlichen wollen die Probleme in den Gefängnissen und die damit verbundene Gefahr für unsere Gesellschaft nicht sehen."

(Bild: dpa-Zentralbild/Britta Pedersen (Symbolbild))

Deradikalisierung in Einzelzellen
Jetzt hat Demir ein Buch geschrieben: "Damit die Österreicher die Wahrheit erfahren über die Zustände in unseren Justizanstalten. Und natürlich hoffe ich, dass die Politik dann endlich auf die von mir angeprangerten Missstände reagieren wird." Wie den Hetzern entgegenwirken? "Die Lösung wäre einfach: Extremisten müssten in Einzelzellen isoliert und gleichzeitig deradikalisiert werden."

(Bild: Martin A. Jöchl)

"Interpretieren Koran falsch"
Was "nicht schwierig" wäre: "Die selbst ernannten Gotteskrieger interpretieren den Koran falsch. Und das muss ihnen bewusst gemacht werden." Bei einigen Insassen sei Demir das bereits gelungen, "wie zum Beispiel bei einem jungen Mann, der im Auftrag des Opas einen Ehrenmord an seiner Schwester begangen hat". Der Täter verstehe nun nicht mehr das absurde Motiv seines Handelns und bereue sein Verbrechen. Dennoch deckt er seinen Großvater weiterhin ...

Kronen Zeitung

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