Im Zuge der Diskussion rund um Missbrauch im österreichischen Sport rückt nun das bekannte Elite-Skigymnasium Stams in den Fokus. Ein namentlich nicht genannter Ex-ÖSV-Aktiver erhebt schwere Vorwürfe gegen die Schule. So spricht der ehemalige Athlet über das sogenannte Pastern in dem weltbekannten Ski-Internat, "harte Gewalt", Scham, Wut und zerstörte Existenzen.
"Das Pastern war und ist ein zutiefst sexuelles Machtspiel, das weit über Initiationsriten hinausgeht. Für mich ist es eine Frechheit, wenn der jetzige Stamser Direktor Arno Staudacher das herunterspielt und davon spricht, dass da ein bissl Schuhpasta auf die Hinterbacken geschmiert wird", zeigte sich der Sportler, der "in den 80ern und 90ern in Stams zur Schule ging und im Spitzensport reüssierte", im Gespräch mit dem "Standard" (Samstag-Ausgabe) wütend.
Außerdem berichtete der Ex-Athlet: "Das ist kein netter Initiationsritus, sondern da wurde ganzen Generationen mit Gewalt von mehreren meist älteren und stärkeren Sportlern die Hose heruntergerissen. Und je nachdem, wie aufmüpfig einer vorher war, bekam er Zahnpasta oder einen mehr oder weniger klebrigen Klister anal verabreicht. Das heißt, da wurde eine Tube eingeführt. Das Ärgste, was man erwischen konnte, war ein Nassschnee-Klister, ein Steigwachs für Langlaufski."
Übergriffe waren "harte Gewalt"
Die Übergriffe seien "selten im Geheimen passiert" und "harte Gewalt" gewesen. "Die Gepasterten sind manchmal drei Stunden in der Dusche gestanden, nicht nur um sich zu säubern. Die haben vor Scham, Verzweiflung und Wut geheult." Er selbst sei zwar weder Opfer noch Täter gewesen, habe aber dennoch die Vorgänge mitbekommen, bei denen es "um Macht und Hierarchie" gegangen sei. "Viele Opfer sind zu Tätern geworden. Pastern war in einer perfiden Art etwas Normales, Alltägliches. Lehrer oder Erzieher waren beim Pastern nicht dabei, sie wissen aber oft, was läuft, weil sie selbst in Stams im Internat gewesen sind."
"Viele müssen erlebte Härten ein Leben lang aufarbeiten"
Zahlreiche Opfer seien traumatisiert worden. "Dieses System hat viele junge Menschen gebrochen und in Identitätskrisen gestürzt - eine große Masse, über die nicht gesprochen wird. Die Aussage 'Wer bei uns in Stams abschließt, steht besonders stabil und erfolgreich im Leben' finde ich zum Kotzen. Viele müssen die erlebten Härten ein Leben lang aufarbeiten, Hilfe kriegen die wenigsten. Das erklärt die hohe Drogenquote bei Abbrechern", wurde der Wintersportler zitiert.
Für Nicola Werdenigg, die das Thema Missbrauch aufs Tapet gebracht hatte, war er voll des Lobes. "Ihren Schritt an die Öffentlichkeit finde ich toll, er zeugt von großer Stärke. Endlich wird an diesen über Jahrzehnte ausgebildeten Strukturen ernsthaft gerüttelt - erst jetzt, obwohl Generationen davon etwas mitgekriegt haben. Werdenigg hilft vielen Betroffenen und trägt dazu bei, künftige Gewalttaten zu verhindern."
Die Aussagen des ehemaligen ÖSV-Aktiven mache "sehr betroffen", erklärte Werdenigg am Samstagnachmittag. "Diese Machtübergriffe, die durchaus auch sexualisierte Gewalt sind, sind so typisch für dieses System." Ohne diese Übergriffe, mit denen Neulinge, junge Leute, in das System eingeführt werden, würde das Ganze vielleicht nicht so funktionieren.
"Da werden Tabus gebrochen"
"Da werden Tabus gebrochen: Bei uns ist das so, dann gehört man dazu und schaut zu und macht möglicherweise sogar selbst mit." Festgehalten wollte sie aber wissen, dass ihr "die Zeit in Stams nach wie vor heilig und wichtig" sei. "In meiner Zeit in Stams wäre so etwas unter den Frauen, unter den Mädchen undenkbar gewesen. Wir haben in der Zeit in den frühen Siebzigerjahren stark feministische Diskussionen geführt." Sie selbst habe im Skigymnasium Stams aber nie etwas Verdächtiges erlebt.
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