Hat der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser (48) für die gesteuerte Vergabe zweier Bundesprojekte zweieinhalb Millionen Euro Schmiergeld kassiert? Auf diese einfache Kernfrage lässt sich das Monsterverfahren, das am 12. Dezember beginnen soll, reduzieren. "Soll" deswegen, weil der OGH just einen Tag vor dem geplanten Beginn über die Zuständigkeit der Richterin urteilen wird. Ein erst vor wenigen Tagen aufgetauchter Stolperstein ist aus dem Weg geräumt: Ein Ablehnungsantrag Grassers gegen Richterin Marion Hohenecker wurde vom Präsident des Landesgerichts für Strafsachen abgewiesen.
Wie berichtet, hatte Grasser behauptet, die Richterin wäre wegen Twitter-Kommentaren ihres Ehemannes zur Buwog-Causa befangen. "Befangenheit kann nur dann angenommen werden, wenn Umstände glaubhaft gemacht werden, die die volle Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit eines Richters objektiv in Frage stellen. Aus den Kommentaren des Ehegatten sind keinesfalls Rückschlüsse auf Haltung und Ansichten der zuständigen Vorsitzenden zu ziehen", hieß es in einer Presseinformation der Medienstelle des Straflandesgerichts am Donnerstagabend. Gegen die Entscheidung des Präsidenten stehe kein selbstständiges Rechtsmittel zu.
Größter Korruptionsprozess in Zweiter Republik
Wenn das OGH-Urteil am Montag Hohenecker ebenfalls als Vorsitzende im Buwog-Prozess bestätigt, wird das größte Korruptionsverfahren in der Zweiten Republik am Dienstag um 9.30 Uhr eröffnet. Darum wird es gehen: Im Jahr 2000, am Beginn der schwarz-blauen Regierung unter Kanzler Wolfgang Schüssel soll der nun angeklagte Lobbyist Peter Hochegger auf einer Serviette eine Art Organigramm skizziert haben, wie an geplanten Privatisierungen zu "verdienen" sei: Grasser - damals Finanzminister - an der Spitze, darunter die "Vermittler" Hochegger und Walter Meischberger sowie der Immobilienmakler Ernst Plech. Grasser sollte im Hintergrund bleiben, die anderen Gespräche über Zahlungen führen. Behauptet wird dies von einem späteren Spitzenbeamten. Für die Ankläger ist es der Beweis für einen "gemeinsamen Tatplan". Hochegger bestreitet, solches je gesagt und gezeichnet zu haben.
2004 wurde die Buwog privatisiert. Um 961 Millionen Euro bekam ein Österreich-Konsortium aus Immofinanz und Raiffeisenlandesbank Oberösterreich den Zuschlag. Weil ihnen bekannt war, dass die Konkurrenz nur 960 Millionen bietet, so der Vorwurf. Verraten habe es der Chef persönlich, sagen die Staatsanwälte. Grasser selbst! Meischberger und Hochegger seien die stillen Boten der Nachricht gewesen. Was die Beschuldigten bestreiten. Allen voran Grasser, der stets auf eine korrekte Abwicklung bedacht war, wie er betont.
Aber wer hat geplaudert, wer hat das entscheidende Anbot der Konkurrenz verraten? Darüber wird vor Gericht in Wien viel gestritten werden. Meischbergers Verteidiger Jörg Zarbl bringt den Namen Jörg Haider ins Spiel. Der habe damals die Zahl erfahren.
Grasser will von Bestechungsgeld nichts wissen
Was dann folgte, war ein riesiges Finanzkarussell. Das Konsortium zahlte fast zehn Millionen Euro. Bestechungsgeld nennen es die Staatsanwälte, ein ehrlich verdientes Beratungshonorar, sagt Meischberger dazu. Und Grasser will von dem Geld gar nichts wissen.
Der Betrag floss nach Zypern, wo Peter Hochegger 2,5 Millionen behielt. Der Rest landete in Liechtenstein auf drei Konten. Die Frage, wer ihre Besitzer sind, wird über Wohl und Wehe der Beschuldigten entscheiden. Für die Staatsanwälte haben Grasser und Plech mit je etwa zweieinhalb Millionen ihren - kriminellen - Anteil gehabt.
Im zweiten Fall geht es um die Vermietung eines neuen Quartiers für die Finanzbehörde in Linz. Hier sollen 200.000 Euro Schmiergeld geflossen sein, sagt die Anklage und nennt wieder Grasser als teilweisen Nutznießer. Was dieser bestreitet.
P. Grotter und G. Gödel, Kronen Zeitung/krone.at
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