Was darf eigentlich die Vorsitzende des Hohen Hauses? Die Wahl von Elisabeth Köstinger war auf alle Fälle ein Bruch mit den Konventionen.
Elisabeth Köstinger könnte nicht nur die Nationalratspräsidentin mit der geringsten Zustimmung der Zweiten Republik werden. Sondern auch die kürzest Dienende. Wie auch für den Dritten NR-Präsidenten Norbert Hofer (FPÖ) ist für sie ein Ministerposten vorgesehen. Köstinger soll - wie schon 2013 vorgesehen - das Landwirtschaftsministerium übernehmen. Dementiert hat sie das nicht.
Bisher die Kürzesten? 465 Tage waren die SPÖler Karl Waldbrunner (1970/71) und 615 Tage Rudolf Pöder (1989/90) im Amt. Am längsten Sozialdemokrat Anton Benya. Fünfzehn Jahre, von 1971 bis 1986, saß er auf dem zweitwichtigsten Politiker-Posten der Republik. In der protokollarischen Rangordnung steht nämlich dieser noch vor dem Kanzler.
"Posten im westeuropäischen Vergleich äußerst machtvoll"
Also eigentlich keine Sprosse auf der Karriereleiter, über die man einfach so mal "interimsmäßig" drübersteigt. Denn: "Im westeuropäischen Vergleich ist der Posten der Nationalratspräsidentin äußerst machtvoll", sagt der Staatswissenschaftler Wolfgang C. Müller von der Uni Wien. "Bisher wurde das Amt aber weitestgehend im Sinne einer neutralen Geschäftsführung ausgeübt." Also wenig politisiert. Was darf sie? In der Präsidialkonferenz, bestehend aus den NR-Präsidenten und Klubobleuten, hat die Präsidentin vereinfacht gesagt die Letztentscheidung in Verfahrensfragen.
Dabei ist sie ihrer Partei nicht verpflichtet. Sie darf eingehende Gesetzesvorschläge an parlamentarische Ausschüsse delegieren, ist Herrin über die Geschäftsordnung. Dass dürfen die Vorsitzenden z. b. in Deutschland, Großbritannien oder Spanien nicht.
Heinz Fischer erlaubte - wie in der Verfassung festgehalten - in dieser Funktion 1993 die Abspaltung des Liberalen Forum von der FPÖ als eigene Fraktion. Ist der Bundespräsident verhindert oder verstorben, rückt das Nationalratspräsidium interimsmäßig an dessen Stelle. Viel Macht der Präsidentin, die keine Erfahrung als Nationalratsabgeordnete hat. Ihre Wahl ist ein Bruch mit den Konventionen. Ob gut oder schlecht, wird man erst sehen.
C. Zavarsky, Kronen Zeitung
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