Buwog-Prozess

“Befangenheit”: Angriffe gegen Richterin abgewehrt

Wirtschaft
12.12.2017 16:13

Nach rund acht Jahren Ermittlungen hat am Dienstag der Buwog-Strafprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und 13 weitere Angeklagte begonnen. Die angekündigte Antragsflut der Anwälte fand statt. Den Anfang machte Grassers Verteidiger Manfred Ainedter, der einen Befangenheitsantrag gegen Richtervorsitzende Marion Hohenecker einreichte. In seiner Erklärung sprach Ainedter von einer "Vorverurteilung nie da gewesenen Ausmaßes" und einer möglichen Beeinflussung der Objektivität der Richterin. Es folgten weitere Anträge, sodass sogar das Eröffnungsplädoyer der Staatsanwälte vertagt werden musste.

Der Medienandrang zum "Prozess des Jahres" war groß. Die Journalisten mussten ein wenig länger als geplant vor einem versperrten Tor vor dem Verhandlungssaal warten. Der Grund: Es mussten mehrere Angestellte des Landesgerichts ausrücken, um das klemmende Schloss aufzubekommen.

Angeklagte unter sich: Karl-Heinz Grasser und Ernst Karl Plech (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER/APA-POOL)
Angeklagte unter sich: Karl-Heinz Grasser und Ernst Karl Plech
Großer Andrang vor dem Gerichtssaal (Bild: krone.at)
Großer Andrang vor dem Gerichtssaal

Prozess dauert voraussichtlich ein Jahr
"Die Hauptverhandlung beginnt": Mit diesen Worten eröffnete Richterin Hohenecker um kurz vor 9.45 Uhr den Strafprozess. Die Staatsanwälte Gerald Denk und Alexander Marchart vertreten die Anklage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Wegen der erwarteten langen Dauer des Prozesses sind mehr Ersatzschöffen als üblich dabei. Falls einer oder mehrere Schöffen ausfallen, kann der Prozess trotzdem weitergeführt werden. Tatsächlich musste gleich am ersten Tag eine Schöffin nach der Mittagspause krankheitsbedingt ausscheiden. Strafrechts-Sektionschef Christian Pilnacek rechnet mit einer Prozessdauer von rund einem Jahr.

Video: Die Ankunft von Ex-Minister Karl-Heinz Grasser

Zu Beginn wurden die Personalien der Angeklagten aufgenommen. Dabei fragte die Richterin auch die Vermögens- und Einkommensverhältnisse ab. Kein Arbeitgeber, kein Haus, kein Auto, erklärte Grasser. Auf die konkrete Frage nach seinem Vermögen machte er keine Angaben. Als Wohnort nannte er Kitzbühel, Vorstrafen hat er laut Richterin keine.

Anwalt Herbert Eichenseder (li.) sowie die Angeklagten Karl-Heinz Grasser und Ernst Karl Plech (Bild: APA/HANS KLAUS TECHT)
Anwalt Herbert Eichenseder (li.) sowie die Angeklagten Karl-Heinz Grasser und Ernst Karl Plech
Die Angeklagten Karl Petrikovics (li.) und Peter Hochegger (Bild: APA/HANS KLAUS TECHT)
Die Angeklagten Karl Petrikovics (li.) und Peter Hochegger
Der Angeklagte Walter Meischberger (Bild: APA/HANS TECHT /APA-POOL)
Der Angeklagte Walter Meischberger
Die Angeklagten Karl Petrikovics (li.) und Peter Hochegger (Bild: APA/HANS KLAUS TECHT)
Die Angeklagten Karl Petrikovics (li.) und Peter Hochegger

120 Euro Monatseinkommen und "kein Vermögen mehr"
Ebenfalls keine Angaben zu ihrem Vermögen machten der zweitangeklagte Walter Meischberger, der drittangeklagte Ernst Karl Plech und der viertangeklagte Peter Hochegger. Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics sagte auf die Frage nach einer Vorstrafe: "Eine Verurteilung, die ich gerade absitze." Der frühere Spitzenmanager sagte, er verdiene 120 Euro netto im Monat, was für Raunen im Zuschauerbereich sorgte.

Der mitangeklagte frühere RLB-OÖ-Vorstand Georg Starzer sagte zu seinem Beruf, er sei Bankvorstand in Ruhe. Der ebenfalls angeklagte Schweizer Vermögensverwalter Norbert Wicki gab als Wohnort Baku, Aserbaidschan, an. Er sei vermögenslos: "Ich habe leider kein Vermögen mehr aufgrund der langen Verfahrensdauer und der medialen Vorverurteilung. Das hat mein Vermögen getroffen."

Kampf der Verteidiger gegen Richterin Hohenecker
Wie bereits am Vortag angekündigt, begann Grassers Verteidiger Ainedter nach der Aufnahme der Personalien der Angeklagten und der Vereidigung der Schöffen mit seinem Antrag gegen die Zuständigkeit der Richtervorsitzenden Hohenecker wegen Befangenheit. "Ich möchte feststellen, dass das nichts mit Ihrer Person zu tun hat. Ich bin mir sicher, dass Sie integer sind und Ihr Bestes geben", stellte Ainedter fest. Dennoch sprach er von einer "Vorverurteilung noch nie da gewesenen Ausmaßes" und von einer möglichen Beeinflussung der Objektivität der Richterin. Damit sprach Ainedter die bereits seit Tagen kursierenden Vorwürfe an, Hohenecker sei wegen politischer Tweets ihres Ehemannes in der ganzen Causa befangen.

Richterin Marion Hohenecker (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER/APA-POOL)
Richterin Marion Hohenecker

Anwalt zeigt Tweets und Schmählied gegen Grasser
Den Antrag gegen die Richterin unterstrich der Verteidiger mit einigen Screenshots von den Tweets und dem Musikvideo "Christoph und Lollo - Karl-Heinz". Auch wenn das Lied nicht abgespielt werden konnte, weil der Ton nicht funktionierte, sorgte die Einlage für Gelächter im Saal, denn Ainedter trug den Liedtext vor.

Auf dieses Schmählied nahm der Anwalt Bezug:

Auch eine "Tatort"-Folge vom 6. September 2015 mit dem Titel "Ihr werdet gerichtet" wurde zu Demonstrationszwecken erläutert. Ainedter betonte, dass für einen Ausschlussgrund alleine der objektive Verdacht einer Befangenheit ausreichen würde. In diesem Zusammenhang sprach der Jurist von einer "feindseligen Einstellung" des Richter-Ehemannes gegenüber dem Ex-Finanzminister.

Grasser-Verteidiger Manfred Ainedter (Bild: APA/Helmut Fohringer)
Grasser-Verteidiger Manfred Ainedter

Neben der politischen Tweets kam Ainedter auch auf den Umstand zu sprechen, dass Hoheneckers Ehemann früher auch ihr Ausbildner gewesen sei. "Es geht nicht um Ideologie oder politische Haltung, sondern um die massive ablehnende Haltung gegenüber Karl-Heinz Grasser", führte Ainedter zum Schluss seiner Ausführungen zum Antrag auf Ausschluss der Richterin aus.

Zwischenfall im Gerichtssaal: Fotoverbot ignoriert
Auch die Anwälte von Walter Meischberger, Ernst Plech und Karl Petrikovics reichten Befangenheitsanträge ein. Während der Vorträge der Juristen kam es auch zu einem ersten Zwischenfall im Gerichtssaal. Trotz des allgemeinen Fotografieverbots zückte eine Person im Zuschauerbereich ihr Handy, um ein Foto zu machen. Die Richterin schritt sofort ein. "Haben Sie gerade fotografiert?", fragte sie. Der "Fotograf" bejahte, sagte aber, das Foto schon wieder gelöscht zu haben. Er entschuldigte sich mit den Worten: "Ich habe das Foto-Verbot vergessen." "Nehmen Sie die Personalien auf", meinte die Richterin zu den Gerichtsmitarbeitern.

Der Angeklagte Georg Starzer (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
Der Angeklagte Georg Starzer
Der Angeklagte Norbert Wicki (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
Der Angeklagte Norbert Wicki
Der Angeklagte Gerald Toifl (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
Der Angeklagte Gerald Toifl
Die Angeklagten (v.l.) Wicki, Toifl, Starzer, Thornton, Petrikovics und Hochegger (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER/APA-POOL)
Die Angeklagten (v.l.) Wicki, Toifl, Starzer, Thornton, Petrikovics und Hochegger

Nach diesem Zwischenfall behauptete der Anwalt von Meischberger, dass Hoheneckers Ehemann während eines Prozesses gegen den Ex-FPÖ-Spitzenpolitiker Peter Westenthaler unter der Leitung der Buwog-Richterin ein Foto gemacht habe, ohne dass er gerügt worden sei.

Das interessanteste Outfit trägt Anwalt Michael Dohr, der einen Porr-Mitarbeiter verteidigt. (Bild: APA/HANS KLAUS TECHT/APA-POOL, krone.at-Grafik)
Das interessanteste Outfit trägt Anwalt Michael Dohr, der einen Porr-Mitarbeiter verteidigt.

Am längsten nahm sich hierbei Otto Dietrich, der Rechtsvertreter von Petrikovics, Zeit. Er erklärte, warum aus seiner Sicht bereits im Villa-Esmara-Verfahren Richterin Hohenecker befangen bzw. gar nicht zuständig gewesen sein soll. Deswegen sieht der Verteidiger einen "Befugnismissbrauch" als gegeben an. Auch andere Verteidiger schlossen sich den Anträgen von Ainedter und Dietrich an.

Befangenheitsanträge erneut abgelehnt
In ihrer Replik auf die Befangenheitsanträge nahm die Staatsanwaltschaft auf die Entscheidung des Landesgerichtspräsidenten Bezug und erklärte, dass es keinen Anschein der Befangenheit gebe. Die Befangenheitsanträge der Anwälte wurden nach einer über eineinhalbstündigen Beratung des Schöffensenats abgelehnt. Es erscheine nicht mehr "dem Zeitgeist gemäß", dass eine Richterin sich die Meinung des Ehemannes umhänge, wurde aus dem Beschluss des Senats, deren Mitglied natürlich auch die Richtervorsitzende ist, zitiert.

Grasser: "Ein fairer Prozess ist nicht möglich"
Ein erster Befangenheitsantrag war erst vor wenigen Tagen vom Präsidenten des Landesgerichtes Wien, Friedrich Forsthuber, abgewiesen worden. Worauf sich Grasser in einem Zeitungsinterview beklagte: "Ein fairer Prozess ist nicht möglich." Am Dienstag gab der sichtlich angespannte Hauptangeklagte rund eine halbe Stunde vor Verhandlungsbeginn der "Krone" ein Interview. In diesem äußerte Grasser die Sorge, dass seine zehnjährige Tochter den "Spott und Hohn" gegen seine Person mitbekommen könnte.

"Angriff auf Pressefreiheit": Journalist von Verhandlung ausgeschlossen
Nach den abgelehnten Anträgen äußerte die Verteidigung Grassers in Form eines Antrags den Wunsch, jene ermittelnden Beamten des Bundeskriminalamts aus der öffentlichen Verhandlung auszuschließen, die auf der Zeugenliste stehen. Der Grund: Aus Sicht der der Anwälte könnten die Beamten durch das Verfolgen des Prozesses in ihrer Zeugenaussage beeinflusst werden. Diesem Antrag wurde nicht stattgegeben. Allerdings musste Aufdeckerjournalist und Buchautor Ashwien Sankholkar den Saal verlassen. Er hatte für das Nachrichtenmagazin "Format" intensiv über den Buwog-Skandal berichtet. "Das ist ein Angriff auf die Pressefreiheit", sagte Sankholkar beim Verlassen des Gerichtssaals.

Anwalt beschwert sich über Sitzordnung
Damit gab sich die Verteidigung noch nicht zufrieden und griff anschließend das Thema Sitzordnung im Verhandlungssaal auf. "Wir sitzen hier am tiefsten Punkt des Saales", kritisierte der Verteidiger von Plech, Michael Rohregger. Die anwaltliche Schweigepflicht würde eingeschränkt, die Vertreter der Medien hätten Einblick in die Unterlagen der Angeklagten und ihrer Vertreter. Auch die Akustik im Saal wurde bemängelt. Der Jurist sah in diesem Zusammenhang sogar die durch die Europäische Menschenrechtskonvention begründeten Rechte der Mandanten verletzt.

Auch wegen dieses Antrags musste sich der Schöffensenat zur Beratung zurückziehen. Die permanenten Unterbrechungen ermöglichten den Journalisten mehr Kontakt zu den Anwälten als sonst bei Verhandlungen üblich. Während die Angeklagten angespannt und konzentriert ausharrten, war so mancher Jurist zum Scherzen aufgelegt.

Plädoyer der Staatsanwälte wegen Antragsflut vertagt
Nachdem auch der Antrag auf eine Veränderung der Sitzordnung vom Schöffensenat abgelehnt worden war, vertagte Richterin Hohenecker "angesichts der vorangeschrittenen Zeit" die Eröffnungsplädoyers der Staatsanwälte auf Mittwoch. krone.at wird auch diese live vor Ort verfolgen.

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