Nach der Explosion in der Gasstation Baumgarten in Niederösterreich herrschte auch Sorge um die Gasversorgung in Europa. Noch am Dienstagabend gab es dann aber Entwarnung: Die Gasleitungen nach Italien, Deutschland und Ungarn wurden noch vor Mitternacht wieder in Betrieb genommen werden, teilte die Gas Connect, die die Leitungen betreibt, in einer Aussendung mit.
Nach eingehender Kontrolle durch die Feuerwehr und das Landeskriminalamt wurden laut Gas Connect die Systeme der Trans-Austria-Gasleitung in Richtung Italien, der West-Austria-Gasleitung nach Deutschland und der Hungaria-Austria-Gasleitung nach Ungarn noch Dienstagnacht wieder in Betrieb genommen. Der Transit durch Österreich über Baumgarten laufe wieder - "und somit kann die Gasversorgung der belieferten Länder gesichert werden". Die nationale Erdgasversorgung sei zu keinem Zeitpunkt gefährdet gewesen, hieß es.
Österreichische Verbraucher aktuell nicht von Vorfall betroffen
"Die Gasversorgung in Österreich ist durch den Umleitungsverkehr sichergestellt", war Firmensprecher Armin Teichert schon tagsüber um Beruhigung bemüht. Da die Versorgung der österreichischen Gasverbraucher absehbar aus den Speichervorräten und den nicht in Mitleidenschaft gezogenen Zuflüssen bewerkstelligt werden kann, seien österreichische Verbraucher aktuell nicht von dem Vorfall betroffen, so Teichert.
Das nutzbare Speichervolumen der österreichischen Gasspeicher betrage rund acht Milliarden Kubikmeter, aktuell seien die Speicher mit sechs Milliarden Kubikmetern Gas gefüllt, was ein für die Jahreszeit üblicher Wert sei. Der tägliche Gasverbrauch betrage derzeit etwa 28,8 Millionen Kubikmeter Gas.
Die Gazprom-Tochter Gazprom Export hatte in Moskau mitgeteilt, dass man daran arbeite, Umgehungsrouten zu finden, um Lieferengpässe zu vermeiden. Aus der Ukraine, dem Haupttransitland für russisches Gas, floss nach slowakischen Angaben am Dienstag ein Drittel weniger Erdgas Richtung Westen als noch am Montag.
Italien: "Automatisch Notstand ausgerufen"
In Italien etwa würde man laut Teichert über eigene Leitungen verfügen und so einem Engpass wohl entgegenwirken können. Aus Italien war zu Mittag zu hören gewesen, dass die Gaslieferungen aus Österreich neu aufgenommen werden, sollte es keine Schäden bei den Transportinfrastrukturen in Baumgarten geben - das teilte der italienische Gasversorger SNAM mit. Wie SNAM weiters mitteilte, seien die täglichen Lieferungen von 113,5 Millionen auf 14 Millionen Kubikmeter Gas gesunken. Die Sicherheit des italienischen Gasversorgungssystem sei jedoch durch Reserven garantiert, betonte SNAM, das seit 2016 an der Gas Connect wesentlich beteiligt ist. Auch das italienische Wirtschaftsministerium wies auf Lagerbestände hin und erklärte, dass der Notstand in solchen Fällen automatisch ausgerufen werde. Die Lage sei "unter Kontrolle".
Bedeutende Erdgasdrehscheibe Europas
Bei der Explosion der Gasstation in Baumgarten nahe der österreichisch-slowakischen Grenze wurden am Dienstag nach Angaben des Roten Kreuzes ein Mensch getötet und 21 weitere verletzt. Bei der betroffenen Anlage handelt es sich um eine zentrale Drehscheibe für die Verteilung von Erdgas in Europa. Die Erdgasstation Baumgarten ist Österreichs größte Erdgasimport- und -verteilstation für Importe aus Russland und Norwegen und aufgrund ihrer zentralen Lage eine der bedeutendsten Erdgasdrehscheiben Europas mit einer Jahreskapazität von 40 Milliarden Kubikmeter. 50 Mitarbeiter sind dort beschäftigt.
Baumgarten wurde als Gasstation 1959 in Betrieb genommen, die erste Gaslieferung aus Russland traf 1968 ein. Sibirisches Erdgas benötigt etwa sechs Tage bis zur Erdgasstation Baumgarten und legt dabei eine Strecke von 4000 Kilometern zurück. Das eintreffende Erdgas wird gemessen, gereinigt, getrocknet und für den Weitertransport verdichtet. Von Baumgarten aus werden Österreich sowie die Länder Deutschland, Frankreich, Ungarn, Italien, Slowenien und Kroatien mit Erdgas versorgt.
Gas-Großhandelspreise in Europa gestiegen
Bald nach der Explosion in der Gasstation zogen die Gaspreise in Europa stark an. In Italien stieg der Day-ahead-Großhandelspreis um 87 Prozent auf 44,50 Euro je Megawattstunde. Der Preis für britisches Gas zur sofortigen Lieferung schnellte um 32 Prozent nach oben.
BVT geht von technischem Gebrechen aus
Neben dem Betreiber Gas Connect geht auch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) von einem technischen Gebrechen in der Gasstation aus. "Es gibt derzeit keinerlei Hinweise auf einen intentionalen Angriff oder eine anderweitige Tathandlung", hieß es am Dienstagnachmittag. Somit sei "zum jetzigen Zeitpunkt mit hoher Wahrscheinlichkeit von keiner Indikation mit einem möglichen terroristischen Hintergrund auszugehen", teilte das Referat "Schutz kritischer Infrastrukturen und Cyber Security" mit.
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