Die türkis-blauen Verhandlungen über die künftige Regierung befinden sich in der Zielgerade. Das Koalitionsabkommen ist inhaltlich nahezu fertig, am Donnerstag und Freitag geht es in einer Art "Konklave" um letzte personelle Entscheidungen sowie um noch offene Kompetenzaufteilungen zwischen den künftigen Bundesministerien. Eine Einigung bis Samstag ist dem Vernehmen nach so gut wie fix. Was bringt die ÖVP-FPÖ-Regierung, welche ihrer Pläne könnten problematisch sein? krone.at wirft einen Blick auf die Vorhaben der Koalition.
Federführend verhandelt wurde in den vergangenen Wochen in der sogenannten Steuerungsgruppe mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache. Unbestritten ist, dass die Pläne der künftigen Regierung einige - teils auch tief greifende - Veränderungen für die österreichische Bevölkerung bringen. Zahlreiche Punkte verheißen Erleichterungen sowie mehr Fairness vor allem im sozialpolitischen Bereich, andere Vorhaben erscheinen hingegen problematisch.
Was positiv auffällt:
Sicherheit: ÖVP und FPÖ haben ein umfangreiches Sicherheitspaket zur Bekämpfung von Terrorismus beschlossen. Konkret geht es um Instrumente gegen sogenannte Gefährder, geplant sind etwa mehr Videoüberwachung und automatische Kennzeichenerfassung. Neben der personellen Aufstockung der Exekutive - inklusive neuer Ausbildung und Besoldung - gilt hier zudem als besonderes Ziel die Grenzraumsicherung, solange die Schengen-Außengrenze nicht gesichert ist.
Landesverteidigung: Für das Militär soll es eine Milliarde Euro mehr geben. Klar ist, dass Türkis-Blau auch über die Zukunft des Eurofighters entscheiden muss.
Steuern: Ziel von ÖVP und FPÖ ist die Senkung der Steuer- und Abgabenquote in Richtung 40 Prozent. Dabei wollen sie sich auf Familien und Erwerbstätige konzentrieren. Begünstigt werden die türkis-blauen Pläne durch das starke Wirtschaftswachstum.
Politiker-Nulllohnrunde: Auf Betreiben von ÖVP und FPÖ beschloss der Nationarat am Mittwoch eine Nulllohnrunde für Top-Politiker. "Wir haben versprochen, dass wir im System sparen und nicht bei den Menschen. Dazu gehört auch, dass wir in der Politik anfangen, also bei uns selbst", so der künftige Kanzler Kurz.
Mindestsicherung: In Sachen Asyl und Migration haben sich ÖVP und FPÖ unter anderem auf die Kürzung der Mindestsicherung für Familien, eine fünfjährige Wartefrist auf Mindestsicherung und Kinderbetreuungsgeld sowie die Forcierung von Sach- statt Geldleistungen für Asylwerber geeinigt.
Arbeitszeitflexibilisierung: Die lange Zeit zwischen SPÖ und ÖVP sowie unter den Sozialpartnern höchst umstrittene Arbeitszeitflexibilisierung kommt. Dabei soll es künftig die freiwillige Möglichkeit eines Zwölf-Stunden-Arbeitstags geben. Die gesetzliche wöchentliche Normalarbeitszeit bleibt, Betriebe sollen aber im Einvernehmen mit dem Betriebsrat bzw. direkt mit dem Arbeitnehmer über eine Einzelvereinbarung mehr Möglichkeiten zur Gestaltung flexibler Arbeitszeiten erhalten.
Bürokratie: Hier sticht vor allem ins Auge, dass es bei den Sozialversicherungen zu Zusammenlegungen verschiedener Träger auf - laut Strache - "unter zehn" kommen soll. Dadurch sollen Hunderte Millionen Euro eingespart werden. Im Gespräch ist auch die Stärkung des Regierungseinflusses in den Sozialversicherungen.
Kammern: Eine Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern kommt nicht, diese müssen jedoch einsparen. Der Mittelzufluss an die Kammern soll gebremst werden, was wohl eine Senkung der Umlage zur Folge hat.
Bildung: Im Schulbereich kommen die Wiedereinführung der Ziffernnoten-Pflicht auch in den ersten drei Volksschulklassen sowie eigene Vorbereitungsklassen für Kinder mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen. Am Mittwoch verständigte man sich außerdem auf die Einführung von einheitlichen Herbstferien.
Digitalisierung: Beschlossen wurde ein flächendeckender Breitbandausbau sowie das Ziel, eine "Digitale Betriebsstätte" einzurichten: Mit deren Hilfe sollen Online-Unternehmen dazu verpflichtet werden, Steuern in jenem Staat zu zahlen, wo die Gewinne erwirtschaftet wurden.
Was problematisch sein könnte:
Direkte Demokratie: Die türkis-blauen Verhandler einigten sich auf den Ausbau der direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild und damit auf mehr Mitbestimmung durch das Volk. Was dabei jedoch befremdlich stimmt, ist, dass die künftige Koalition bezüglich eines Referendums über einen möglichen Austritt Österreichs aus der EU dezidiert klarstellte, dass es zu keiner Abstimmung über den sogenannten Öxit kommen wird. Bei heiklen Themen scheint es also mit der direkten Demokratie nicht so weit her zu sein.
Rauchverbot: Das ursprünglich ab Mai 2018 geplant gewesene absolute Rauchverbot in der Gastronomie kommt nicht. ÖVP und FPÖ einigten sich stattdessen auf eine Raucherregelung nach dem "Berliner Modell". Gäste können vorerst weiter in abgetrennten Räumlichkeiten Zigaretten konsumieren. Zugleich wird der Nichtraucherschutz für Jugendliche verstärkt. Gegen das von den Freiheitlichen forcierte Kippen des Rauchverbots laufen Experten sowie Vertreter aller Parteien, auch der ÖVP, Sturm.
Ministerien: Über die Aufteilung der Ministerien wird bis zuletzt verhandelt. ÖVP-Chef Kurz übernimmt das Bundeskanzleramt. Mit den europapolitischen Agenden wird er auch den wichtigsten Teil der Außenpolitik in sein Ressort übernehmen. Ebenfalls an die ÖVP dürften mit Stand vom Donnerstag das Justizministerium, das Finanzministerium sowie das Wirtschaftsministerium gehen, das Umweltministerium bleibt bei der Volkspartei. Die ÖVP könnte darüber hinaus noch das Bildungsministerium und das Frauenministerium erhalten.
FPÖ kontrolliert Sicherheitministerien und Nachrichtendienste
Auf FPÖ-Seite wird Parteichef Strache Vizekanzler. Die Freiheitlichen sollen das Innenministerium, das Verteidigungsministerium, das Außenministerium, das Infrastrukturministerium und das Gesundheitsministerium erhalten. Die Krux dabei: Mit dem Innen- und dem Verteidigungsressort hätte die FPÖ die Oberhoheit über alle Nachrichtendienste.
Angelobung der türkis-blauen Regierung wohl am Montag
Am Donnerstagvormittag informierte ÖVP-Chef Kurz Bundespräsident Alexander Van der Bellen darüber, dass sich die Koalitionsverhandlungen auf der Zielgeraden befinden.
Voraussichtlich am Samstag werden Kurz und Strache der Öffentlichkeit die letzten Details präsentieren. Zugleich sollen die Parteigremien von ÖVP und FPÖ informiert werden und den Koalitionspakt inklusive Ministerliste absegnen. Ebenfalls am Wochenende dürfte Van der Bellen dann noch jene Ministerinnen und Minister zu Gesprächen empfangen, die er noch nicht persönlich kennt. Die Angelobung der neuen Regierung könnte dann am Montag über die Bühne gehen.
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