Jetzt ist es fix: Genau zwei Monate nach der Nationalratswahl haben sich ÖVP und FPÖ am Freitagabend auf eine Koalition geeinigt. ÖVP-Chef Sebastian Kurz wird damit der 13. Bundeskanzler in der Zweiten Republik. "Wir wollen einen neuen politischen Stil leben", sagte Kurz bei der gemeinsamen Erklärung mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Dieser ergänzte: "Wir wollen in Demut dem Land dienen." Samstagfrüh informieren beide Parteichefs Bundespräsident Alexander Van der Bellen über das Programm und das Regierungsteam.
"Unsere Ziele sind klar: Wir wollen die Steuerzahler entlasten, den Standort stärken und vor allem wollen wir für mehr Sicherheit sorgen", so Kurz weiter. Bei der Wahl am 15. Oktober hätten die Wähler eine "Richtungsentscheidung" für Veränderung im Land getroffen, "diese Veränderung wollen wir gemeinsam sicherstellen", sagte der künftige Kanzler. Details gaben die Parteichefs noch nicht bekannt - weder personell noch inhaltlich, auch wenn sich die Ministerliste in den letzten Stunden des Verhandlungsmarathons immer klarer abzeichnete.
Auf den letzten Metern der Koalitionsverhandlungen haben es die türkis-blauen Teams noch einmal spannend gemacht. Am Freitagnachmittag war noch von der Klärung schwieriger Details die Rede. Noch nicht offiziell bestätigt wurden Hinweise, wonach das ÖVP-Regierungsteam zu 50 Prozent aus Frauen bestehen soll.
"Gespräche waren stets auf Augenhöhe"
Man habe "sehr intensive Verhandlungen" geführt, betonte Kurz. Auch wenn man unterschiedliche Positionen gehabt habe, seien die Gespräche "stets auf Augenhöhe" und von Respekt geprägt verlaufen. Er glaube, es sei gelungen, einen "neuen Stil" zu etablieren. Die neue Koalition stehe "für eine Politik, die im System spart und nicht bei den Menschen", versprach Kurz. Man wolle die Steuerzahler entlasten, den Standort stärken, für mehr Sicherheit sorgen und illegale Migration bekämpfen. Alle Bereiche seien intensiv verhandelt worden, betonte auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.
Kurz und Strache bedankten sich in dem knapp sechsminütigen gemeinsamen Statement beieinander, aber auch bei allen Verhandlern und den beigezogenen Experten. Auch Strache hob die gegenseitige Wertschätzung bei den Verhandlungen hervor. Zum Abschluss des Auftritts, bei dem keine Fragen zugelassen waren, lieferten die beiden Parteichefs noch einen Handshake für die Fotografen und TV-Kameras.
Samstagvormittag tagen beide Parteigremien
Nach der erfolgten Einigung von ÖVP und FPÖ auf eine gemeinsame Koalition werden Kurz und Strache Samstagfrüh in der Hofburg von Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfangen. Um 10 Uhr tagen die Gremien der beiden Parteien, am Nachmittag werden das Regierungsteam und der Koalitionspakt präsentiert.
Regierung umfasst 14 Minister - Sobotka Nationalratspräsident
Die künftige Regierung wird dem Vernehmen nach 14 Minister und zwei Staatssekretäre umfassen. Acht Minister bekommt die ÖVP, sechs die FPÖ. Auf ÖVP-Seite wird Parteichef Kurz Bundeskanzler. Der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel wird Kanzleramtsminister, zuständig für EU, Medien, Kunst und Kultur. Die steirische Molekularbiologin und Neo-Nationalratsabgeordnete Juliane Bogner-Strauß übernimmt das Ressort Frauen, Familie und Jugend. Der frühere Rechnungshofpräsident Josef Moser ist als Minister für Justiz und Staatsreform vorgesehen, Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger dürfte ebenfalls in die Regierung wechseln und dort die Agenden Nachhaltigkeit, sprich Landwirtschaft und Umwelt, sowie Tourismus übernehmen. Im Gegenzug soll der bisherige Innenminister Wolfgang Sobotka Nationalratspräsident werden.
Kunasek wird Verteidigungsminister
Bei der FPÖ wird Parteichef Heinz-Christian Strache Vizekanzler. Innenminister wird der bisherige FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl, neuer Verteidigungsminister der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek. Der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer übernimmt das Infrastruktur- und Verkehrsministerium, die ehemalige FPÖ-Abgeordnete Beate Hartinger wird Ministerin für Soziales und Gesundheit. Die Nahost-Kennerin Karin Kneissl zieht als parteifreie Kandidatin auf einem FPÖ-Ticket ins Außenministerium ein, der langjährige Abgeordnete Hubert Fuchs dürfte Staatssekretär im Finanzministerium werden.
ÖVP und FPÖ koalieren zum bereits dritten Mal
Für ÖVP und FPÖ ist es bereits die dritte gemeinsame Koalition. Von 2000 bis 2002 regierte Schwarz-Blau I, nach Neuwahlen folgte bis 2006 Schwarz-Blau II, wobei sich die Freiheitlichen 2005 während der laufenden Regierungsperiode in BZÖ und FPÖ zersplitterten. Das orange BZÖ blieb danach in der ÖVP-geführten Regierung, die Freiheitlichen um Strache gingen in Opposition.
Kurz nach Schüssel zweiter ÖVP-Kanzler seit 1970
Nun folgt Schwarz-Blau III bzw. Türkis-Blau, weil die Bundes-ÖVP im jüngsten Wahlkampf ihre Parteifarbe von Schwarz auf Türkis gewechselt hat. Die ÖVP übernimmt damit nach knapp elf Jahren das Amt des Bundeskanzlers wieder von der SPÖ. Seit durchgehend 31 Jahren ist die Partei bereits an der Macht, die längste Zeit davon allerdings als Juniorpartner in der großen Koalition. Bei der Nationalratswahl 2017 wurde sie zum zweiten Mal seit 1966 stimmenstärkste Kraft. Kurz wird nach Wolfgang Schüssel (2000-2006) der zweite ÖVP-Kanzler seit 1970. Insgesamt bringt es die ÖVP auf mehr als 55 Jahre Regierungsverantwortung und nunmehr sechs Bundeskanzler in der Zweiten Republik.
Für die FPÖ handelt es sich um ihren vierten Eintritt in eine Regierung. Vor Schwarz-Blau Anfang der 2000er-Jahren befanden sich die Freiheitlichen von 1983 bis 1986 in einer Koalition mit der SPÖ. Jede FPÖ-Regierungsbeteiligung endete übrigens vor Ablauf der Regierungsperiode, keine schaffte mehr als drei Jahre.
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