Eine bemerkenswerte Entdeckung ist Forschern an der TU Wien gelungen: In Materialien mit starker Wechselwirkung zwischen den Elektronen fand man sogenannte Weyl-Fermionen. Genau wie Lichtteilchen haben die vor zwei Jahren erstmals entdeckten Quasiteilchen keine Masse, bewegen sich aber trotzdem - im Vergleich zu Licht - extrem langsam. Die Entdeckung soll nun die Tür zu ganz neuer Physik aufstoßen und ungeahnte materialphysikalische Effekte ermöglichen.
Die Begeisterung war groß, als man 2015 die sogenannten Weyl-Fermionen erstmals messen konnte - exotische, masselose Teilchen, die der deutsche Mathematiker, Physiker und Philosoph Hermann Weyl bereits vor fast 90 Jahre vorausgesagt hatte.
Nachdem der Physiker Paul Dirac 1928 seine Dirac-Gleichung aufgestellt hatte, mit der man das Verhalten von relativistischen Elektronen beschreiben kann, fand Hermann Weyl eine besondere Lösung für diese Gleichung - und zwar für Teilchen mit der Masse null, die sogenannten "Weyl-Fermionen".
Teilchen wurden 2015 erstmals nachgewiesen
Das Neutrino wurde ursprünglich für ein solches masseloses Weyl-Teilchen gehalten, bis sich herausstellte, dass es doch eine Masse hat. Tatsächlich nachgewiesen wurden die mysteriösen Weyl-Fermionen erst im Jahr 2015, und zwar nicht als freie Teilchen wie das Neutrino, die sich unabhängig vom Rest der Welt durch das Universum bewegen können, sondern als Quasiteilchen in einem Festkörper.
"Quasiteilchen sind keine Teilchen im klassischen Sinn, sondern Anregungen eines Systems aus vielen wechselwirkenden Teilchen", erklärt Silke Bühler-Paschen (Bild unten) vom Institut für Festkörperphysik der TU Wien. Man kann sie sich ähnlich vorstellen wie eine Welle im Wasser: Die Welle ist kein Wassermolekül, sie beruht auf der Bewegung vieler Moleküle. Wenn sich die Welle fortbewegt, dann heißt das nicht, dass sich die Teilchen im Wasser mit dieser Geschwindigkeit bewegen. Es sind nicht die Wassermoleküle selbst, es ist ihre Anregung in Wellenform, die sich ausbreitet.
Während sich freie, masselose Teilchen gemäß den Gesetzten der Relativitätstheorie immer mit Lichtgeschwindigkeit bewegen müssen, können masselose Quasiteilchen auch langsamer sein. Als sie die Eigenschaften eines speziellen Kristalls aus den Elementen Cer, Wismut und Palladium untersuchten, haben die Wiener Forscher in ihrer aktuellen Studie nun besonders langsame Weyl-Fermionen - quasi langsames Licht - entdeckt.
"In der von uns untersuchten Kristallstruktur sind die Elektronen untereinander hoch korreliert und wechselwirken sehr stark miteinander. Dadurch bewegen sich die Weyl-Fermionen extrem langsam", erklärte Bühler-Paschen vom Institut für Festkörperphysik an der TU Wien. "So lässt sich der Effekt viel besser kontrollieren." Ihre Geschwindigkeit beträgt mit 1000 Metern pro Sekunde nur etwa drei Tausendstel Promille der Lichtgeschwindigkeit im Vakuum.
Können elektrischen Strom fast verlustfrei leiten
Das macht der Forscherin zufolge das neue System auch für technologische Anwendungen interessant. Da Weyl-Fermionen im Material kaum gestreut werden, können sie elektrischen Strom fast verlustfrei leiten. Außerdem ist ihr Spin besonders robust, was zu neuen Anwendungen führen könnte, die neben der Ladung auch den Spin von Elektronen für die Datenverarbeitung nutzen.
Und auch auf die Entwicklung von Quantencomputern könnte sich die neue Entdeckung auswirken. "Laut theoretischer Vorhersagen würde Quanteninformation in solchen Materialien global statt lokal verarbeitet", so Bühler-Paschen. "Das könnte in Zukunft fehlertolerantes Quantencomputing ermöglichen." Dazu müsse der Effekt allerdings zunächst noch auf ein supraleitendes Material übertragen werden.
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