Lag die Differenz zwischen Herstellerwerten und Realverbrauch 2001 in Deutschland noch bei rund 7 Prozent, sind es mittlerweile 23 Prozent, wie die europäische Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) ermittelt hat. Die Basisdaten stammten dabei von der Internetseite spritmonitor.de, auf der Autofahrer die von ihren Pkws im Alltag erreichten Verbrauchswerte veröffentlichen können.
Die wachsende Kluft hat mehrere Ursachen. Zum einen die immer umfangreichere Ausstattung von Neuwagen. Optionale Komfort- und Sicherheitsextras verbrauchen Strom und erhöhen das Gewicht, werden bei den offiziellen NEFZ-Fahrzyklus-Tests aber nicht berücksichtigt. Dort wird in der Regel das mager ausgerüstete Basismodell geprüft.
Realitätsferne Testauslegung
Ein weiterer Grund liegt in der realitätsfernen Ausgestaltung der Prüfstand-Tests, die zu einer falschen Gewichtung von Spritspar-Techniken führt. So hat etwa das Start-Stopp-System im Labor einen überproportionalen Effekt, da das Auto dort rund 20 Prozent der Testdauer steht. Im Alltag ist das System in der Regel deutlich weniger im Einsatz. Wie vergleichsweise gering sein Spritspar-Effekt ist, kann jeder Besitzer eines Bordcomputers überprüfen: Im Leerlauf liegt der Verbrauch des Motors bei 0,5 bis 1,0 Liter – pro Stunde.
Rund die Hälfte der offiziellen Verbesserungen beim CO2-Ausstoß der vergangenen zehn Jahre ist laut T&E jedoch auf kreative Tricks der Autohersteller bei der Verbrauchsberechnung zurückzuführen. Da sowohl Vorschriften als auch Kontrollen von Seiten des Gesetzgebers relativ lax sind, bleiben die Konzerne dabei zwar auf dem Boden des Gesetzes, führen jedoch ihre Kunden aufs Glatteis.
Die Tricks der Autohersteller
Für die Autohersteller gibt es zwei grundsätzliche Arten, zu tricksen. Zum einen bei der Realfahrt auf offener Strecke, zum anderen bei der anschließenden Laborprüfung durch ein nominell unabhängiges Institut. Die Fahrt im Freien dient vor allem dazu, Roll- und Luftwiderstand zu ermitteln. Diese werden später benötigt, um den Rollenprüfstand im Labor entsprechend zu programmieren.
Um möglichst niedrige Werte zu erreichen, wählen die Tester einen Ort mit möglichst hohen Temperaturen und niedrigem Luftdruck. Vor Fahrtantritt wird jedes überflüssige Gewicht im Fahrzeug entfernt, spezielle Leichtlauföle werden eingefüllt und die ebenfalls eigens montierten Leichtlaufreifen stärker als empfohlen aufgepumpt, um den Rollwiderstand zu verringern. Gewitzte Tester kleben zudem sämtliche Karosseriefugen mit Klebeband ab, um die Aerodynamik zu verbessern. Auch Fahrwerk und Bremsen werden beim Testkandidaten für möglichst geringen Verbrauch optimiert – Fahrkomfort und Sicherheit spielen bei dem getesteten Vorserienmodell eine geringere Rolle als beim fertigen Auto, das anschließend in den Verkauf geht.
Zweites Feld für Tricks ist der Labortest. Auch der wird von einem unabhängigen Institut durchgeführt. Allerdings wird dieses vom Autohersteller engagiert und auch bezahlt – ein klassischer Konflikt. So dürfte die Bereitschaft, die Lücken in der Prüfungsordnung gewissenhaft auszunutzen, durchaus groß sein. Zu den beliebtesten Möglichkeiten zählt das Abkoppeln des spritfressenden Stromgenerators vom Motor. Im Alltag würde das zu einem Entladen der Batterie und irgendwann zum Triebwerksstopp führen. Für die kurze Fahrt auf dem Prüfstand reicht allerdings der Vorrat des Akkus. Auch ein Eingriff in die Motorsteuerung, um einen besonders sparsamen Betrieb zu erzwingen, ist legal. Genauso der Einsatz von nicht serienmäßigen Leichtlaufölen oder das Manipulieren des Bremssattels. Zudem spielt auch hier die Umgebungstemperatur eine Rolle. Beim Test wird sie natürlich optimiert. Nicht zuletzt sind Messtoleranzen erlaubt, die sich kreativ nutzen lassen. Der Hersteller kann beispielsweise den gemessenen CO2-Wert pauschal um vier Prozent kürzen, bevor er ihn der Zulassungsbehörde meldet.
Alle diese Eingriffe haben für sich genommen nur geringen Einfluss. Dadurch, dass die Realfahrt-Ergebnisse in den Laborversuch einfließen und dessen Daten mit einem komplizierten Algorithmus auf den Normverbrauch hochgerechnet werden, können aber auch kleine Spareffekte das Endergebnis stark beeinflussen. Insgesamt führen die Tricks laut T&E zu einem um 19 bis 28 Prozent verbesserten Wert beim CO2-Ausstoß im Vergleich zum identischen Test ohne kreative Optimierung.
Die Umweltschutzorganisation setzt sich vor diesem Hintergrund für eine umfassende Änderung der Test-Prozedur ein. Zunächst müsse das genormte Verfahren insgesamt realitätsnäher werden, zudem seien das Schließen von Schlupflöchern sowie eine stärkere Kontrolle der Ergebnisse nötig.
In Österreich profitieren wir natürlich von geschönten Normverbräuchen, weil sie sich steuerlich auswirken, was aber dennoch keine absurden Angaben rechtfertigt. Wenn die Verbräuche anders ermittelt werden, müsste die Besteuerung entsprechend geändert werden.
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