Ich war natürlich besonders gespannt auf die Mattighofener Wuchtbrumme, schließlich war ich vergangenes Jahr über 5.000 Kilometer mit der 1190 Adventure, der "kleinen Schwester", unterwegs (klingt komisch bei 1.195 ccm Hubraum und 150 PS, ich weiß). Beim neuen Flaggschiff haben sie in so ziemlich allen Belangen auf das, was eigentlich eh schon genug war, noch was draufgelegt.
Darf's ein bisserl mehr sein?
So haben wir hier also den 1.301-ccm-Motor aus der KTM 1290 Super Duke R, der leicht gestutzt auf 160 PS und ein mörder Drehmoment von 140 Nm bei 6.750/min. kommt. Leider läuft er nicht ganz so geschmeidig wie im nackten Spender. Zwar liegen bereits bei 2.500 Touren satte 108 Nm an, jedoch wird man diesen Drehzahlbereich in der Praxis eher meiden (den darunter ganz sicher), weil Vibrationen und eine schlagende Kette nerven. Ab 3.000/min. gibt es keinen Grund zur Klage, da kommt Schub ohne Ende und wird ordentlich eingeschenkt. Im Wortsinn: 30 Liter passen in den Tank, was bei 6,5 l/100 km Testverbrauch für beachtliche Reichweiten sorgt.
Vier Fahrmodi portionieren die Kraft je nach Bedarf. Rain und Sport beinflussen nur das Ansprechverhalten, Rain und Enduro drosseln auch die Leistung. Alles Serie. Wie auch das semiaktive Fahrwerk, das in Millisekundenschnelle auf die Fahrbahnbeschaffenheit reagiert. Je nach Neigungsgruppe oder wie stark der Hafer gerade sticht lässt es sich auch voreinstellen. "Sport" ist die richtige Einstellung, wenn man Supersportlern auf der Hausrunde zeigen will, wo der Bartl den Most holt, "Street" wirkt nur im direkten Vergleich weich, ist aber ein ideales Allround-Programm.
Schnelle, längere Kurven sind ein feines Geläuf für die KTM 1290 Super Adventure, doch auch wenn es winkelig wird, kommt man mit ihr sehr gut zurecht. Zu leugnen ist allerdings nicht, dass sie vollgetankt über 250 kg wiegt, und auch ein fast leerer Tank macht sie nicht zu Gazelle. Doch wer ordentlich am Lenker drückt, wirft sie zackig durch die Kurven, die schräglagenabhängige Traktionskontrolle hält das Hinterrad in der Spur, wenn man das Gas zu früh zu hart anlegt.
Eine kleine Unsauberkeit fällt auf: Aus der Gabel kommt manchmal ein ungewöhnliches Klacken, das zwar irritiert, aber der Funktion offenbar keinen Abbruch tut.
Alles für die Kurve
Neben Fahrmodi und elektronischem Fahrwerk hat die Super-KTM noch ein weiteres Dynamik-Schmankerl zu bieten: ein ABS, das auch in Schräglage funktioniert. Zwar kann es die Ketten der Physik nicht sprengen, aber die Möglichkeiten weit ausschöpfen. Ein beherzter Zug am Bremsgriff (etwa im Schreck vor einem plötzlich auftauchenden Hindernis), der sonst häufig zum Sturz führt, treibt nur den Puls in die Höhe, aber nicht den Fahrer zu Boden. Das Bosch-System verhindert Blockieren und Wegrutschen, das Bike bleibt in der Spur, stellt sich weniger auf und der Fahrer hat die Chance, dadurch mehr Situationen unbeschadet zu überstehen als mit anderen Bikes.
Und noch etwas nicht sehr Verbreitetes für Kurvenfahrten hat die KTM 1290 Super Adventure serienmäßig an Bord: ein Kurvenlicht. In die Verkleidung sind zwei LED-Leuchten integriert, die nachts in die Kurven hineinleuchten. Klingt gut, ist aber in der Praxis ein unausgegorener Blender, weil das, worauf es ankommt, nämlich der Hauptscheinwerfer, viel zu schwach ist. Er funzelt gelblich, während das LED-Kurvenlicht weiß gleißt. Auf Kurvenstrecken kommt man im Dunkeln nicht ohne Fernlicht aus, das Kurvenlicht irritiert durch den Lichtfarbunterschied oftmals mehr, als dass es nutzt. Message nach Mattighofen: Bitte einen LED-Hauptscheinwerfer verbauen, dann können wir weiterreden.
Wenig Wind, viel Menü
Die beeindruckend große, manuell verstellbare Scheibe sorgt mit der Verkleidung für guten Windschutz, auch außerhalb des Schutzbereichs gibt es keine störenden Windwirbel. Nachteil am Windschild: Man sieht nicht viel durch, weil es ziemlich zerklüftet ist.
Die Bedienung der Super Adventure gleicht der an der 1190 Adventure: Es ist fast alles im Menü untergebracht. Dieses ist zwar gut strukturiert, sein Aufbau lässt sich leicht verstehen, aber Funktionen wie die Heizgriffe gehören in kein Menü, sondern brauchen einen eigenen Schalter. Punkt. Ein eigenes Bedienkastl hat der serienmäßige Tempomat. Um ihn zu bedienen, muss man allerdings die Hand vom Lenkergriff nehmen, was relativ umständlich ist. Dadurch kann man ihn zwar nicht versehentlich aktivieren, das könnte man aber auch anders lösen.
Sehr praktisch ist hingegen, dass die Sitzbank problemlos höhenverstellbar ist.
Unterm Strich
"Einmal alles, mit scharf" wird man sich in Mattighofen gedacht haben. Warum? Weil sie es können. Natürlich treibt die irre Serienausstattung den Basispreis in die Höhe, 20.998 Euro ruft man auf, doch wenn man etwa auf die nackt nominell günstigeren BMWs schaut, muss man auch in Betracht ziehen, dass die zu fast 100 Prozent voll ausgestattet verkauft werden. Da interessiert der Basispreis dann niemanden mehr. Heizgriffe, Heizsitze, die ganze Elektronik, Kurvenlicht, Kurven-ABS, Stahl-Sturzbügel, Handguards, die Liste ist lang.
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer - und ein Superlativ noch nicht das ideale Bike für jeden. Die KTM 1290 Super Adventure ist wahrscheinlich die superste Reiseenduro am Markt, ob sie die beste ist, ist relativ und eher eine persönliche Entscheidung. Beim Quartettspielen ist sie jedenfalls schwer zu schlagen.
Warum?
Warum nicht?
Oder vielleicht …
... KTM 1190 Adventure, BMW R 1200 GS Adventure, Ducati Multistrada, irgendwie auch die BMW S 1000 XR
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