Nach meiner Rückkehr vom Bankomaten (Nachricht an mich selbst: Bei Test- bzw. Spaßfahrten immer genug Bares dabei haben) und vollzogener Amtshandlung kläre ich den langen Arm des Gesetzes auf Nachfrage erst mal auf: Es handelt sich um einen A-Klasse-Mercedes mit 360 PS. Wie viel?!! Ja, genau, 360 PS. Der stärkste Serien-Vierzylinder, den es gibt. 2-Liter-Turbo. 450 Newtonmeter bei 2.250 Touren. Allradantrieb. 0 auf 100 in 4,6 Sekunden.
Zero understatement statt zero emission
Er beginnt zu verstehen, dass es damit gar nicht so leicht ist, sich an Tempolimits zu halten. Dass der Testwagen satte 85.666 Euro kostet, versteht er eher nicht. Dann erkläre ich ihm noch, was ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe ist, bevor ich artig von dannen ziehe, wobei sich sogar der Auspuff soundmäßig kleinlaut gibt. Nur der fette AMG-Dachspoiler (kostet 1.000 Euro extra) zeigt irgendwie den Mittelfinger, fürchte ich.
Kurz zuvor war da noch ein Schreien, Röhren und Röcheln, mit automatischem Zwischengas beim Runterschalten, jedenfalls im Sport- oder Manuellmodus. Auf "Comfort" steht die Klappe in der AMG-Performance-Auspuffanlage hingegen auf zahm. Du steigst aufs Gas, die Nackenhaare stellen sich auf, die Kurve fliegt heran, bremsen, einlenken, dabei auf die Neigung zum Untersteuern achten, Gas geben - und wie auf Schienen pfeffert dich der Allradantrieb aus dem Winkel. Das alles geht so leicht, so spielerisch, dass ich mich beinahe an einer Spielkonsole wähne. Die Kiste wiegt ja auch quasi nix: Nur 1.480 kg sind es leer (4,1 kg pro PS), und das mit Allradantrieb. Überholen geht ähnlich wie auf dem Motorrad – wusch und weg.
Rekordmotor in Handarbeit
Die Literleistung entspricht der eines handelsüblichen Superbikes: 180,8 PS pro Liter sind eine echte Kampfansage. Ein Wahnsinn, dass sie in Affalterbach 360 PS aus 1.991 cm³ holen. Möglich macht das ein riesiger TwinScroll-Turbolader, der sogar das Turboloch auf passable Ausmaße begrenzt. Das maximale Drehmoment liegt schon bei 2.250/min. an, trotzdem schiebt er oben heraus noch mal nach. Im Gegenzug spielt das Triebwerk den Saubermann, auf dem Papier steht ein Normverbrauch von 6,9 l/100 km. Im Test bin ich auf 10,2 Liter gekommen, was für einen derart bösen Boliden immer noch echt in Ordnung geht. Es ist aber auch problemlos möglich, den Bordcomputer auf seiner Maximalanzeige von 20,0 l/100 km zu halten. Verkatert könnte ich mir auch unter 9 vorstellen.
Starke Performance, aber das Getriebe fällt im Paket etwas ab
Extrem griffig liegt das Alcantara-/Leder-Lenkrad (1.000 Euro) in der Hand, die elektromechanische Sport-Parameter-Lenkung ist superpräzise. Für den AMG-Performance-Sportsitz empfiehlt es sich, selbst einigermaßen sportlich zu sein – Couchpotatoes werden sich eingeengt fühlen. Aber es braucht diese direkte Verbindung zwischen Fahrzeug und Popometer, um die Infos verarbeiten zu können, die das trockene, aber nicht kreuzbrechend harte Fahrwerk aufsaugt. Einzig das Doppelkupplungsgetriebe agiert etwas träge, sogar im Manuellmodus. Wenn man die Verzögerung beim Raufschalten nicht mit einplant, rattert man ständig in den Begrenzer. Außerdem fällt das Getriebe negativ auf, wenn man anhält, denn dann geht ein Ruck durchs Gebälk und es "klonkt" vernehmlich den ersten Gang rein.
Was in einem Mercedes im Allgemeinen nicht üblich ist, ist in einem AMG-Modell Ehrensache: Das ESP ist abschaltbar. Wer sich nicht zu sehr einbremsen lassen will, aber dennoch nicht auf ein wenig Sicherheit verzichten will, wählt den Handling Mode. Allerdings ist das ESP generell aktiv, solange der Fahrer den Fuß auf der Bremse hat.
Vor all das haben die Ingenieure aber Geduld und Verzicht gesetzt: Man darf erst über 4.000/min. drehen, wenn alle Temperaturwerte weiß statt blau im Display leuchten, damit der in Handarbeit hergestellte Motor nicht vorzeitig den Geist aufgibt. Das bedeutet Öl bei 80 Grad, Getriebeöl bei 50 Grad, Kühlwasser bei – wurscht. Dazu darf man sagen, dass besagte Drehzahl im 7. Gang 200 km/h bedeutet.
Wer hat, der kann
Die Euro-pro-PS-Wertung beginnt beim Mercedes A 45 AMG bei 152,05 Euro, also bei insgesamt 54.740 Euro. Dass der Testwagen so viel teurer ist, liegt an Extras im Wert von über 30.000 Euro, inklusive der phänomenalen Harman-Kardon-Anlage und dem Driver's Package, das die Höchstgeschwindigkeit von 250 auf 270 km/h heraufsetzt. Eine Okkasion ist das nicht, aber durchaus ein lohnendes Angebot. Auch die Exekutive freut sich.
Warum?
Schlichtweg der stärkste Hot Hatch, den es in Serie gibt
Die Leichtigkeit des Rasens
Warum nicht?
Etwas zu träges Getriebe
Mercedes-Schrullen wie der überladene Blinkerhebel
Oder vielleicht …
… lieber auf den fetten AMG-Spoiler verzichten – er neigt zum Pfeifen.
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