Wieder eine Reiseenduro mit Schnabel, habe ich auf den ersten Blick gedacht, doch hier ist es anders. Das Design ist völlig eigenständig und so kreativ, dass ich es, einem Vexierbild gleich, nicht sofort erkannt habe. Man sieht es nur von der Seite: Die V-Strom 1000 ist ein kecker Vogel, ein Angry Bird, ein Roadrunner. Und ein wenig Phantomias, wenn der jemand was sagt. Der kurze Schnabel samt Nasenlöchern, der Scheinwerfer als Augen (leicht maskiert), der vielfach (in der Neigung manuell) verstellbare Windschild als freche Federn am Kopf, das ganze Gesicht grinsend, weil es weiß: Da ist Suzuki richtig was gelungen. Was, sollte sich mir in der Gegend von Almería bald erschließen.
Den bekannten DL1000-V2-Motor haben sie grundlegend überarbeitet und den Hubraum um 41 auf 1.037 cm³ erhöht. Jeder Zylinder hat zwei Kerzen und ebenso viele Drosselklappen, verzichtet haben sie auf den Ölkühler. Statt 98 ziehen jetzt 100 PS, doch das Wesentliche ist das Drehmoment von 103 Nm, das bereits bei 4.000 Touren anliegt. Dazu kommt die absolut lineare Leistungsentfaltung, das gute Ansprechverhalten und der seidige Lauf. Erst ab 6.000/min. kann man von Vibrationen sprechen, allerdings bewegt man sich meist im Bereich zwischen 3- und 6.000/min. Ab 2.000 geht es ruckelfrei und mit Nachdruck los, bei 5.000 rollt man im 6. Gang mit 150 km/h dahin, auch bei Höchsttempo (Tacho 213 km/h habe ich im 6. erreicht, 210 km/h ist offizielle Vmax) bleiben Bike und Fahrer entspannt. Dazu wird wohl auch der im Vergleich zur Vorgängerin 13 Prozent leichtere, aber steifere Alu-Doppelschleifenrahmen beitragen. Auch an Kupplung und Getriebe gibt es nichts auszusetzen.
Erste Suzuki mit Traktionskontrolle - serienmäßig
In ihrem Element ist die V-Strom 1000, wenn es kurvig wird. Mit vollgetankt nur 228 kg carvt sie über den griffigen Asphalt, lässt sich spielerisch umlegen und intuitiv dirigieren. Wird es rutschig – wie so häufig in Kreisverkehren – oder die Gashand besonders ambitioniert, greift (Premiere bei Suzuki!) die sogar serienmäßige Traktionskontrolle sanft, aber verlässlich ein. Wie früh, lässt sich zweistufig einstellen, und abschaltbar ist sie auch. Das Umschalten geht superleicht mit Tasten am linken Griff. Beim Bremsen sorgt ABS serienmäßig für Sicherheit, beim Herunterschalten verhindert die Anti-Hopping-Kupplung lästiges Stempeln.
Die bereits erwähnte goldene Gabel ist ein 43-mm-Upside-Down-Besteck von Kabaya, dessen Dämpfung und Vorspannung voll einstellbar sind. An der Schwinge lassen sich Federvorspannung (per Hydraulik-Handrad) und Zugstufendämpfung anpassen. Die Bremsanlage ist von Ernsthaftigkeit geprägt, vorne ist eine 4-Kolben-Radialbremse montiert, das Ganze beißt kräftig und gut dosierbar zu.
Den Windschild (vor allem als groß gewachsener Fahrer) besser nicht zu hoch einstellen, sonst nerven Turbulenzen am Helm, also lieber den Kopf im Wind baden. Sitzposition und Kniewinkel sind angenehm, man kann sich je nach Körpergröße eine Bank für 83, 85 oder 87 Zentimeter Sitzhöhe aussuchen. In jedem Fall ist sie vorn so schmal geschnitten, dass man mit den Füßen jederzeit gut den Boden erreicht. Der Tank wurde zugunsten eines guten Knieschlusses schmäler und schrumpfte dadurch von 22 auf 20 Liter. Mit einem Verbrauch zwischen 5,5 und 6,0 Litern auf unserer spanischen Runde reicht das für angemessene Reichweiten.
Optional sind eine Menge hilfreiche Dinge erhältlich, von Sturzbügeln bis zum Koffersystem. Wer die Koffer nicht gleich mitkauft, bekommt trotzdem drei Schlösser mitgeliefert, damit er die Reisekästen dann später mit dem Zündschlüssel sperren kann. Es gibt Hersteller, da klappt das nicht einmal, wenn das Bike bekoffert geliefert wird. Für die 12-V-Dose unterm Tacho braucht's keine Aufpreisliste, die ist Serie.
Mit 13.990 Euro verkauft sich die V-Strom nicht über den Preis, weil sie das gar nicht nötig hat. Klar, es hat was, wenn man ein richtig dickes Ding zwischen den Beinen hat und 260 Kilo mit 150 PS bewegt. Wer sich aber überlegt, was er wirklich braucht, könnte bei der Suzuki V-Strom 1000 landen. Sie hat zwar kein elektronisches Fahrwerk, bietet aber ABS und Traktionskontrolle, einen durchzugsstarken Motor und ein tadelloses Handling. Nur eines bietet sie nicht: einen sinnvollen Namen.
Warum?
Warum nicht?
Oder vielleicht …
… Kawasaki Versys 1000, Triumph Tiger Sport 1050 vom Hubraum her, sonst drunter oder drüber alles, was sich um BMW F 800 GS und BMW R 1200 GS gesellt
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