Ganz. Schön. Spaßig.

Was die BMW R nineT so genial macht

Motor
07.03.2014 08:31
Fast schon unglaublich: BMW bringt eine Art Retro-Gummikuh auf den Markt und irgendwie ist klar, dass sie sich erstklassig fährt. Tatsächlich fährt sich die R nineT sogar dermaßen gut, dass sie sich mit einem Tritt für die Bezeichnung "Gummikuh" revanchieren würde, ja müsste, wenn sie Beine hätte. Noch dazu klingt sie mörder und schaut ebenso aus. Und das ist erst der Anfang.
(Bild: kmm)

Schon das Starten ist ein Genuss, der Sound föhnt die Nackenhaare und lässt schon mal Vorfreude aufkommen, und das mit dem serienmäßigen linksseitigen Doppelauspuff! Was für ein Soundtrack für den Blick, der über dieses Bild eines Motorrades schweift! Schwarz ist sie, die R nineT. Der 18-Liter-Aluminiumtank wird eigens in Italien zum Blickfang gemacht, wo er teilweise gebürstet wird. Viele Aluminiumschmiedeteile wie Gabelbrücken oder Lenkerklemmung sind glasperlengestrahlt und anschließend natur eloxiert. Auf Plastik haben die Münchner verzichtet.

Wie bitte? Gabel von der S 1000!
Die Gabel ist golden und nicht Telelever, wie sonst bei den Boxern üblich, sondern feinste Ware von der S 1000 RR. Klassische Instrumente mit wenig LCD, aber doch so viel wie nötig, inklusive Ganganzeige. Am Lenkkopf prangt ein aufgenietetes Typenschild nach historischem Vorbild, ein historisches Zitat ist auch das BMW-Logo im Scheinwerfer. Der Lenker selbst ist richtig breit und fast schon mächtig ausladend, der Körper vorne bullig mit dem ausladenden Boxer, hinten schlank mit einer flachen Sitzbank. Ebenso klassisch die Felgen mit traditionellen Drahtspeichen mit schwarzen Felgenringen und Radnaben, in den Mänteln halten Schläuche die Luft.

Auf den Bergstraßen Mallorcas ist die BMW R nineT in ihrem Element, nicht nur, weil sie mit der puren Schönheit der Landschaft wetteifern kann, sondern weil es ein Genuss ist, mit ihr durch die Kurven zu carven und sich jeweils vom fetten Durchzug herausspülen zu lassen. Behände wedelt die vollgetankt 222 kg Maschine über die Insel. Dazu schallt es bollernd von den Felswänden zurück, oder auch mal von Steinmauer-Alleen, als würden sie die Beschleunigung verstärken. Kein Problem, dem Kollegen auf der S 1000 R zu folgen, von Sa Calobra den Pass hinauf.

Ganz schön kräftig, der Boxer, auf seine alten Tage
Der Motor ist ein alter Bekannter, nämlich der luftgekühlte 1.170-cm³-Boxer aus der ausgelaufenen GS mit 110 PS und 119 Nm bei 6.000/min. In der R nineT bekommt er quasi seinen letzten Frühling, bevor er wegen der EU4-Abgasnorm mit Ende 2015 zumindest in der Leistung reduziert werden muss.

Bis auf ABS ist der Fahrer auf sich allein gestellt, keine Traktionskontrolle wacht über den Grip am Kurvenausgang, es ist der pure Motorradgenuss, den BMW hier vermitteln will. Und das erfolgreich. Dazu gehört ernsthafte Technik wie die radial montierten 4-Kolben-Monoblock-Bremssättel mit Stahlflexleitungen und schwimmend gelagerten 320er-Scheiben, alles aus der R 1200 RT.

"Wahrscheinlich ist sie sogar die Schnellste von den vieren auf diesen Strecken", sagt BMW-Motorrad-Österreich-Chef Fritz Reichl über die R nineT. Die anderen drei sind R 1200 RT, R 1200 GS Adventure und S 1000 R. Ohne Zeitmessung ist das schwer zu vergleichen, aber sie fühlt sich jedenfalls richtig gut an, wahrscheinlich besser als jedes andere Retrobike am Markt. Einziges Manko: Groß gewachsene Fahrer wirken etwas deplatziert, weil die R nineT nicht zu den größten BMWs zählt. Ich fahre sie mit meinen 1,88 m trotzdem gern.

Eines hat sie allen voraus: Sie ist die Basis für tiefgehende Individualisierung, Ziel bei BMW ist es, letztlich möglichst viele verschiedene R nineTs auf der Straße zu haben. Bei BMW direkt gibt es eine Menge Customizing-Zubehör, vom hochgelegten Akrapovic-Auspuff bis zum Höcker statt dem Soziusplatz. Der Fußrastenrahmen ist einfach abnehmbar, eine seitliche Kennzeichenmontage von vornherein vorgesehen.

Darüber hinaus bieten die Münchner echten Customizern alle Möglichkeiten, weil sogar das Bordnetz so ausgelegt ist, dass man dank vieler spezieller Schnittstellen nicht in den Kabelbaum eingreifen muss, wenn man etwas an der Elektrik verändern will.

Die Sache mit dem Preis
Bleibt noch eine Frage zu klären: Warum kostet ein Motorrad mit wenig Elektronik und einem bereits durch einen Nachfolger abgelösten Motor mehr als das Super-Naked-Bike S 1000 R? Als wenn Fritz Reichl auf die Frage gewartet hätte: Der Entwicklungsaufwand ist viel höher, als es zunächst scheint. Zwar ist der Motor bekannt, alles andere ist aber neu konstruiert (bis hin zur Bordelektronik, die mit ihrem Zuschnitt aufs Customizing einzigartig ist), nicht aus einer bestehenden Modellreihe abgeleitet. Und schließlich werden wohl keine hohen Stückzahlen abgesetzt werden, vor allem weil die R nineT in dieser Form ein definitives Ablaufdatum namens EU4 hat. 

17.400 Euro ruft BMW (ab 8. März) auf, und dieses Selbstbewusstsein ist nachvollziehbar: Die R nineT ist ein exklusives Stück und wird das auch bleiben – mit mehr Geld oder mehr Kreativität kann sie nur noch exklusiver werden. Übrigens: Für dieses Jahr ist sie schon ziemlich ausverkauft...

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(Bild: KMM)



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