Es ist nur eine der Sorgen, welche die Einwohner der Sieben-Millionen-Metropole Hongkong dieser Tage auf die Straße treibt: Pekings Zensurpolitik. Seit Jahren arbeitet die Kommunistische Partei darauf hin, für die 1,35 Milliarden Chinesen den Zugang zu freier Information einzuschränken.
Zwar wurde der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong 1997 bei der Rückgabe an Peking für 50 Jahre Autonomie zugesichert. In Chinas letzter Bastion der Meinungsfreiheit hat man allerdings Angst, dass die Privilegien Hongkongs nach und nach aufgeweicht werden.
Große Firewall zwingt zu Einfallsreichtum
Um zu kennen, was Hongkongs Einwohner fürchten, hat krone.at Peking, Shanghai und die für ihre Elektronikindustrie bekannte südchinesische Zehn-Millionen-Stadt Shenzhen besucht und dort versucht, die große chinesische Firewall hinter sich zu lassen.
Und es ist gelungen: Unüberwindlich ist Chinas Firewall, die auch als "goldener Schild" bezeichnet wird, definitiv nicht. Sie zwingt all jene, die in China nach unzensiertem Internet suchen, aber zu einem gewissen Einfallsreichtum.
Unzensiertes Surfen erfordert Vorbereitung
Und den brauchen China-Reisende, die Peking ungefiltertes Internet abringen möchten, schon vor Reiseantritt. Konkret hat Digital-Redakteur Dominik Erlinger nichts dem Zufall überlassen und eigens einen Laptop für den China-Einsatz präpariert.
Ein betagtes Thinkpad mit altersschwachem AMD-E350-Chip, das bei einer Beschlagnahme niemand vermissen würde, wurde zum Bollwerk gegen die Zensur auserkoren und nach allen Regeln der Kunst für das Umgehen der großen Firewall manipuliert.
Laptop verschlüsselt und mit VPN und Tor präpariert
Wo vorher Windows zum Einsatz kam, wurde Linux aufgespielt. Die Festplatte wurde gleich bei der Installation verschlüsselt, der Anonymisierungsdienst Tor und Werkzeuge zur Netzwerküberwachung wurden installiert. In einem letzten Arbeitsschritt haben die IT-Fachmänner der krone.at-Technik noch eine verschlüsselte VPN-Verbindung nach Wien eingerichtet.
Auf Knopfdruck sollte die gesamte Kommunikation gesichert über das Firmennetzwerk erfolgen, so die Grundidee. Und wenn alle Stricke reißen, gäbe es ja immer noch Tor, ein schwerfälliges, aber zuverlässiges Anonymisierungsnetzwerk, das vom digitalen Untergrund für langsames, dafür aber anonymes und unzensiertes Surfen verwendet wird.
VPN-Methode umging Zensur zuverlässig
Unsere Tests in öffentlichen WLAN-Netzwerken in Peking, Shanghai und Shenzhen zeigten: Beide Methoden zur Umgehung von Zensur funktionieren in China. Die VPN-Verbindung ins Wiener "Krone"-Netzwerk erwies sich dabei als die schnellere und unkompliziertere Methode.
Ihre Funktionsweise: Wird das VPN aktiviert, läuft sämtliche Kommunikation zunächst einmal vom entsprechend präparierten Laptop ins Firmennetzwerk in Wien. Die gewünschten Internetseiten werden von der Gegenstelle in Wien aufgerufen und – mit der IP-Adresse der Krone-Zentrale – zurück ans VPN-Notebook in China geschickt.
Für Chinas Zensoren sieht das so aus, als bestünde nur eine Verbindung zwischen einem Laptop in Peking und krone.at in Wien – dass tatsächlich über genau diese Verbindung eigentlich blockierte Seiten wie Facebook oder Twitter aufgerufen wurden, bekommen die Zensoren nicht mit.
Tor schickt Daten über Proxy-Serverkette
Ähnlich funktioniert Tor. Der Anonymisierungsdienst schickt jede Anfrage über eine Kette zwischengeschalteter Proxy-Server. Das ist schwerfällig, am Ende ist es für Chinas Zensoren aber kaum möglich, das tatsächliche Ziel eines Internetnutzers herauszufinden und zu blockieren – ebenso wie bei der VPN-Lösung.
Weil Tor-Nutzer im Verborgenen Server auf der ganzen Welt betreiben und sich die nicht so einfach durch Löschung aus einem DNS-Server sperren lassen wie große Online-Dienste vom Schlage Googles oder Facebooks, kann man dagegen auch wenig tun.
Zensur für Einheimische ein Problem von vielen
Im Gespräch mit Einheimischen wurde schnell klar: Die von uns genutzten Methoden, um Pekings Zensur zu überwinden, kennen auch viele Chinesen. Für Ottonormalnutzer ist die große chinesische Firewall zwar ein schwer zu überwindendes Hindernis auf der Suche nach freier Information. Wer sich mit der Materie beschäftigt, kann sich mit Tools wie Tor aber sehr wohl helfen.
Allerdings: Von den Einwohnern Chinas wird die Zensur oft auch gar nicht als wirkliches Problem betrachtet. "Wir haben hier weit größere Probleme als die Meinungsfreiheit", sagte uns beim Besuch in Shenzhen ein Arbeiter eines Elektronikkonzerns, der seinen Namen wegen der staatlichen Überwachung nicht in der Zeitung lesen möchte.
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