Das letzte TV-Duell vor der Bundespräsidentenwahl am Sonntag sorgte in den sozialen Netzwerken für reichlich Zunder. Ziel des Unmuts vieler Internetnutzer: Moderatorin Ingrid Thurnher und ihr Arbeitgeber, der ORF. Sie hatte FPÖ-Kandidat Norbert Hofers Erzählungen infrage gestellt, bei einem Israel-Besuch 2014 im israelischen Parlament empfangen und Augenzeuge eines gerade noch vereitelten Terroraktes am Tempelberg in Jerusalem geworden zu sein. Inzwischen hat es sich als wahr herausgestellt, dass es damals tatsächlich einen Schuss auf eine Frau gab, wenngleich diese keine bewaffnete Terroristin war. Der ORF räumte am Freitag in der "ZiB" erstmals Fehler in den Recherchen ein.
Wie sich mittlerweile - krone.at berichtete - herausstellte, hatte auch Hofers Israel-Besuch 2014 tatsächlich stattgefunden. Allerdings hatte sich die ganze Angelegenheit nicht genau so zugetragen, wie der FPÖ-Präsidentschaftskandidat sie zuvor in mehreren Interviews geschildert hatte.
Maschinengewehre und Handgranaten waren entgegen Hofers Erzählung am Tempelberg nicht im Spiel, auch einen offiziellen Empfang in der Knesset dürfte es nicht gegeben haben. Dass Hofer in Israel war und zum fraglichen Zeitpunkt unweit des Tempelberges eine verdächtige Frau angeschossen wurde, gilt mittlerweile aber als gesichert. Unwahr ist, dass die Frau - wie von Hofer bereits am Mittwoch geschildert - erschossen wurde.
ORF gibt Fehler zu
In der "Zeit im Bild" am Freitag gab der ORF dennoch erstmals Fehler in den Recherchen zu. "Wir stehen nicht an, zuzugeben, dass uns Medienberichte über einen Zwischenfall nicht bekannt waren", sagte Moderator Tarek Leitner. In einem Kurzbericht wurde die Causa einmal behandelt. Auch wenn der Zwischenfall von Israel offenbar nicht als Terror klassifiziert wurde, sei "doch nachvollziehbar, dass bei Absperrungen und Schüssen, diese Wahrnehmung entstehen kann", hieß0 es im Bericht des ORF.
Strache übte harsche Kritik am ORF
Einige Beobachter werteten die kritischen Fragen von ORF-Moderatorin Ingrid Thurnher in der Causa am Donnerstagabend als fehlgeschlagenen Versuch, Hofer im Wahlkampf-Endspurt als Lügner bloßzustellen. Wenig überraschend: Einer der heftigsten Kritiker Thurnhers war Hofers Parteiobmann Heinz-Christian Strache. Er schoss sich in mehreren Facebook-Postings auf den ORF und Thurnher ein.
Unter Straches Postings entlud sich sogleich der Unmut seiner fast 350.000 Facebook-Anhänger. ORF-Kritik war in den Reaktionen ebenso vertreten wie Untergriffigkeiten gegenüber Thurnher. Ausdrücke wie "Berufsmanipulatorin" oder "professionelle Tatsachenverdreherin" gehören dabei zu den harmloseren Aussagen.
Kritik am ORF und Thurnher auch auf Hofers Facebook-Seite
Auf der Facebook-Seite von Präsidentschaftskandidat Hofer spielten sich zeitweise ähnliche Dinge ab. Die User kritisierten den ORF und Thurnher.
FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl distanzierte sich in einer Aussendung von derlei Untergriffigkeiten, mahnte aber ein, dass dem ORF "Fehler passiert" seien. Kickl: Es würde in so einem Fall "Journalisten nicht schlecht anstehen, sich zu entschuldigen". Zudem kritisierte Kickl, er habe die "kritische Recherche mit einem eigenen Korrespondenten im Falle Alexander Van der Bellen" vermisst.
ORF: "Journalistische Leistung war völlig korrekt"
Beim ORF kann man den Shitstorm, den Thurnher auf sich gezogen hat, nicht nachvollziehen. In einer Aussendung erklärt der Sender: "Es ist die Aufgabe von Journalismus, Aussagen von Politikerinnen und Politikern zu hinterfragen. Wenn Politiker etwas behaupten und Recherchen ergeben ein anderes Ergebnis, dann ist es notwendig, den Politiker damit zu konfrontieren." Das habe die Moderatorin in korrekter Weise getan, Hofer habe jede Gelegenheit gehabt, sich dazu zu äußern.
Dass die FPÖ nun auf diversen Social-Media-Kanälen ORF-Moderatorin Ingrid Thurnher desavouiere zeige ein völlig falsches Verständnis von Journalismus, einige der gegen Thurnher gerichteten Postings seien regelrecht widerlich.
Der ORF: "Diese Form von Beleidigungen, Verächtlichmachung und Unterstellungen ist einer Parlamentspartei unwürdig und wir lehnen diese Postings zutiefst ab. Zu dem von der FPÖ-Spitze verlangen 'Rücktritt' halten wir fest: Der Redakteursrat steht voll hinter Ingrid Thurnher, sie ist eine der besten Moderatorinnen im ORF."
Armin Wolf nimmt Schuld auf sich
Hinter Thurnher stellte sich auch ihr Kollege Armin Wolf. Der "ZIB 2"-Moderator postete seine Darstellung der Ereignisse ebenfalls auf Facebook. "Wenn schon wer jemanden wegen der Tempelberg-Kontroverse beschimpfen will, dann beschimpfen Sie bitte mich", schrieb Wolf. Und fügte hinzu; "Die Frage an Hofer im TV-Duell beruht auf Recherchen zu seiner Israel-Reise, nur bekamen wir das Polizei-Statement aus Israel nicht mehr rechtzeitig für das Interview in der 'ZiB 2' am Mittwoch:" Deshalb habe Thurnher das Statement im TV-Duell präsentiert und Hofer dazu befragt.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.