Gilt ab sofort

VfGH hebt umstrittene Datenspeicherung auf

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27.06.2014 12:07
Der Verfassungsgerichtshof hat am Freitag die Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung in Österreich mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Die Gesetze würden sowohl dem Grundrecht auf Datenschutz sowie Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, dem Recht auf Privat- und Familienleben, widersprechen, sagte Präsident Gerhart Holzinger bei der Verkündung der Entscheidung.

Der Verfassungsgerichtshof kritisierte die Vorratsdatenspeicherung in gleich mehrfacher Hinsicht. So habe die österreichische Umsetzung der vom Europäischen Gerichtshof bereits aufgehobenen Richtlinie kein Recht auf Löschung vorgesehen. Zudem sei "nahezu die gesamte Bevölkerung" von den Maßnahmen betroffen. Auch Sanktionen gegen möglichen Missbrauch gebe es nicht.

"Gravierender Eingriff in die Grundrechte"
Ein so gravierender Eingriff in die Grundrechte, wie er durch die Vorratsdatenspeicherung erfolgt, müsse so gestaltet sein, dass er mit dem Datenschutz und der Menschenrechtskonvention im Einklang stehe, begründeten die Verfassungsrichter die sofortige Aufhebung sämtlicher einschlägiger Gesetzesbestimmungen. Zudem fehlten "zahlreiche präzise gesetzliche Sicherheitsvorkehrungen", etwa zur Speicherverpflichtung, zu den Voraussetzungen für die Datenzugriffe sowie der Verpflichtung zur Löschung.

Kritik gab es auch an der enormen "Streubreite" der Vorratsdatenspeicherung. Diese übertreffe sämtliche bisher durch den VfGH beurteilten Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz - sowohl hinsichtlich des Personenkreises als auch der Art der betroffenen Daten selbst. Regelungen wie die nun aufgehobenen könnten zwar zur Bekämpfung schwerer Kriminalität zulässig sein, in diesem Fall handle es sich aber um unverhältnismäßige Bestimmungen, lautet ein weiterer Kritikpunkt der Verfassungsrichter.

"Neue Herausforderungen durch neue Technologien"
VfGH-Präsident Holzinger merkte allerdings auch an, dass neue Kommunikationstechnologien neue Herausforderungen für die Kriminalitätsbekämpfung - die ein öffentliches Interesse darstelle - mit sich bringen würden. Solche neuen technischen Möglichkeiten würden allerdings auch Gefahren für die Freiheit der Menschen bergen, denen man in adäquater Weise entgegentreten müsse.

VfGH wies Kärntner Beschwerde ab
Im Gegensatz zu den zwei Beschwerden von Privatpersonen, die nun von der Republik Österreich auch die Prozesskosten ersetzt bekommen müssen, wurde jene der Kärntner Landesregierung - damals noch unter dem ehemaligen freiheitlichen Landeshauptmann Gerhard Dörfler - vom VfGH abgewiesen. Diese sei "zu eng gefasst" gewesen, begründete Holzinger die Ablehnung. Man habe nur die Bestimmungen im Telekommunikationsgesetz angefochten, nicht aber jene in Sicherheitspolizeigesetz und Strafprozessordnung.

Ab sofort außer Kraft
Eine Frist zur Reparatur wurde vom VfGH nicht gewährt. Sämtliche Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung im Telekommunikationsgesetz, in der Strafprozessordnung sowie im Sicherheitspolizeigesetz seien mit dem Zeitpunkt der Kundmachung der Aufhebung außer Kraft zu setzen.

Speicherung aller Telekommunikationsdaten
Die 2006 mit dem Argument der Terrorbekämpfung verabschiedete und in Österreich im April 2012 eingeführte EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtete Unternehmer, Telekommunikationsdaten aller Telefon-, Handy- und Internetnutzer sechs Monate lang zu speichern: Name und Adresse des Benutzers, Handy- und Telefonnummer, IP- und E-Mail-Adressen, aber auch Geräte-Identifikationsnummern von Mobiltelefonen oder die Standortdaten, also wo sich ein Handy zu einem bestimmten Zeitpunkt befand.

Auf all diese Daten konnten die Ermittlungsbehörden grundsätzlich zugreifen. Für das Ausheben von Stammdaten genügte ein begründetes Ersuchen seitens der Staatsanwaltschaft bzw. der Kriminalpolizei. Für den Zugriff auf Telefonnummer oder eine IP-Adresse reichte ebenfalls eine schriftliche und begründete Anordnung der Staatsanwaltschaft (mit Vier-Augen-Prinzip, also von einem zweiten Staatsanwalt abgesegnet).

Für Verkehrsdaten - sie geben Aufschluss über die Kommunikationsvorgänge selbst, also zum Beispiel wer mit wem wie geredet bzw. gemailt hat - musste die Anordnung von einem Richter genehmigt werden. Für die Kontrolle war der Rechtsschutzbeauftragte zuständig.

354 Abfragen im Vorjahr, keine wegen Terrorverdachts
Genutzt wurde die Vorratsdatenspeicherung in Österreich jährlich mehr als 300 Mal. 354 Abfragen aus der Justiz gab es im Vorjahr. Keine einzige erfolgte aber wegen des Verdachts einer terroristischen Vereinigung. Meistens - in 113 Fällen - ging es um Diebstahl, 59 Abfragen betrafen Drogendelikte, 52 Raub. Der Rest betraf beharrliche Verfolgung, Betrug und gefährliche Drohung. Vonseiten des Innenministeriums gab es im Vorjahr sechs Zugriffe.

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