Nach "Charlie Hebdo"

Vorratsdatenspeicherung spaltet Europas Politik

Web
15.01.2015 12:55
Eine Woche nach dem Terroranschlag auf das französische Satire-Magazin "Charlie Hebdo" diskutiert Europas Politik über Maßnahmen, um solche Geschehnisse künftig zu verhindern. Vor allem konservative Politiker machen sich für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung stark. Kritiker wie der deutsche Justizminister Heiko Maas oder Österreichs Verfassungsgerichtshof-Präsident Gerhart Holzinger halten dem entgegen, dass mehr Überwachung nicht automatisch zu mehr Sicherheit führe.

In Österreich wurde die Vorratsdatenspeicherung im April 2012 eingeführt, Mitte 2014 wurde sie vom Verfassungsgerichtshof wieder gekippt. In Deutschland wurde sie Ende 2007 eingeführt und 2010 vom Bundesverfassungsgericht ebenfalls wieder beendet.

Grund für das Ende der Vorratsdatenspeicherung war in beiden Fällen, dass es sich nach Ansicht der Gerichte um einen unverhältnismäßig großen Eingriff in die Grundrechte der Bürger gehandelt habe. In Österreich erfolgte kein einziger der jährlich rund 300 Zugriffe auf die Vorratsdaten wegen Terrorverdachts.

Vorratsdatenspeicherung hat Anschlag nicht verhindert
Frankreich hat die Vorratsdatenspeicherung 2006 eingeführt und speichert nach wie vor anlasslos die gesamte Kommunikation der Bürger über einen Zeitraum von zwölf Monaten. Die jüngsten Terroranschläge von Paris konnten trotzdem nicht verhindert werden.

Trotz dieser Fakten machen sich eine Woche nach dem Massenmord in der Redaktion des Satire-Magazins "Charlie Hebdo" Politiker wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner oder VP-Klubchef Reinhold Lopatka für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung als Schutzmaßnahme für die Bevölkerung und Hilfsmittel für Ermittler stark.

Auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner empfahl, das Thema auf EU-Ebene erneut zu diskutieren. Englands Premier David Cameron forderte angesichts der Anschläge von Paris gar, die Verwendung verschlüsselter Kommunikations-Apps zu verbieten.

"Wir würden machen, was die Terroristen wollten"
Kritiker der Vorratsdatenspeicherung werten dies als Aktionismus. Auf die Frage, ob es nicht fahrlässig sei, angesichts der Geschehnisse auf das Sammeln von Vorratsdaten zu verzichten, antwortete der deutsche SPD-Justizminister Heiko Maas in einem Interview mit dem Deutschlandfunk kürzlich: "Nein, fahrlässig ist allenfalls, den Leuten weiszumachen, dass die Vorratsdatenspeicherung geeignet wäre, solche Anschläge zu verhindern."

Maas fügt im Interview hinzu: "Die Vorratsdatenspeicherung würde auch zu mehr Überwachung von Presse und Journalisten führen. Das heißt, wir würden genau das machen, was die Terroristen eigentlich wollten, nämlich unsere Freiheit und unseren Rechtsstaat einzuschränken, und deshalb finde ich das auch aus diesem Grund völlig kontraproduktiv."

Ins gleiche Horn bläst Verfassungsrichter Holzinger: "Ich mache nur darauf aufmerksam, dass in Frankreich die Regelungen über die Vorratsdatenspeicherung in einem sehr weiten Umfang bestanden haben und offenbar hat das auch nicht dazu geführt, dass man diese Terrorakte verhindern konnte." Holzingers Empfehlung: Der Bedrohung mit mehr Rechtsstaatlichkeit zu begegnen, nicht mit weniger. Ähnlich argumentiert auch Kanzleramtsminister Josef Ostermayer.

Merkel macht sich in Brüssel für neue Regelung stark
Während die Diskussion über die Vorratsdatenspeicherung europaweit an Fahrt aufnimmt, ist die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit der Forderung an die EU-Kommission herangetreten, diese solle die Überarbeitung der EU-Richtlinie zur Speicherung von Telefon-, Internet- und E-Mail-Verbindungen nun "zügig" beenden.

Der EU-Gerichtshof hatte im April 2014 – kurz bevor die Vorratsdatenspeicherung in Österreich beendet wurde – in einem eigenen Urteil festgestellt, dass die Regelung gegen die Grundrechte der Bürger verstoße und überarbeitet werden müsse. Mit der Überarbeitung müsse die Überwachung "auf das absolut Notwendige beschränkt" werden, so die Forderung des EU-Gerichtshofes. Die Arbeiten an einer neuen EU-Richtlinie dauern seither an.

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