Für Richterin Maria-Charlotte Mautner-Markhof ist der Fall eindeutig: Die Autorin habe damals ihre Urheberrechte an den Staat abgetreten. Im Rahmen des Werknutzungsrechts sei die Änderung zulässig und "schadet nicht". Die entsprechenden Radio- und Fernsehspots der Werbeagentur Lowe GGK sind für das Wiener Handelsgericht damit "gesetzeskonform", weshalb ein Antrag auf eine Einstweilige Verfügung abgewiesen wurde. Mit ihr wollten Fritz Molden, der Sohn der Textdichterin Paula von Preradovic, und der Sessler-Verlag, der die Preradovic-Erben in Urheberrechtsfragen betreut, die weitere Ausstrahlung der Spots mit der Neuinterpretation verbieten.
Für das Handelsgericht ist aus der umstrittenen Textzeile keine Urheberrechtsverletzung ableitbar. "Das Geschlechterverständnis hat sich in den über 60 Jahren seit der Schaffung des Textes der Bundeshymne dahingehend verändert, dass nicht mehr der Begriff Österreicher auch für Österreicherinnen steht, nicht mehr der Begriff Bürger auch für Bürgerinnen steht, sondern dass Bürgerinnen und Bürger bzw. Österreicherinnen und Österreicher, wie auch bei allen Ansprachen des Bundespräsidenten in den letzten Jahren festzustellen ist, gleichberechtigt nebeneinander genannt werden", ist dem Gerichtsbeschluss zu entnehmen.
"Geändertes Geschlechterverhältnis zur Diskussion stellen"
Das geänderte Geschlechterverständnis zur öffentlichen Diskussion zu stellen, sei "absolut legitim", hält Richterin Mautner-Markhof fest. Eine Diskussionsbasis über eine mögliche Textänderung der Bundeshymne könne am besten dann geschaffen werden, "wenn dem davon betroffenen Österreicher bzw. der davon betroffenen Österreicherin dies in einer modernen zeitgemäßen Form durch einen in Österreich anerkannten Popstar nahegebracht wird". Dass in den Originaltext eingegriffen wurde, um die geänderte Wortfolge "Söhne und Töchter" hervorzuheben, "schadet nicht", so das Erstgericht.
Heutige Fassung entspricht bei weitem nicht dem Original
Im übrigen sei der Text der Bundeshymne in seiner derzeit geltenden Fassung mitnichten das von Paula von Preradovic ursprünglich verfasste "Original": Wie das Gericht ausführt, wurde ihr Vorschlag von der damaligen Bundesregierung abgeändert.
Paula von Preradovic hatte am 17. Dezember 1946 folgenden Text eingereicht, hat das Gericht herausgefunden: "Land der Berge, Land am Strome, / Land der Aecker, Hämmer, Dome, / Arbeitsam und liederreich. / Grosser Väter freie Söhne, / Volk, begnadet für das Schöne, / Vielgerühmtes Österreich." Am 25. Februar 1947 beschloss dann der Ministerrat den offiziellen Text, allerdings mit einigen Änderungen. Seitdem singt Österreich jene Zeilen, die wohl jeder in der Volksschule gründlich eingebläut bekommt. Die zweite Strophe wurde übrigens unverändert übernommen; in der dritten Strophe wurden weitere Adaptierungen vorgenommen, hier durften die Österreicher dann "arbeitsfroh" werden.
Verlagsanwalt ist empört
Da der Beschluss nicht rechtskräftig ist, will der Verlag in Rekurs gehen. Sessler-Anwalt Georg Zanger bezeichnete die Entscheidung des Gerichts am Donnerstag als "falsch". Angeblich löse das Urteil auch bei anderen Urheberrechtsexperten nur Kopfschütteln aus, so der Rechtsbeistand.
Die Richterin habe sich mit der rechtlichen Thematik "in keiner Weise auseinandergesetzt" und "lediglich ihre Absicht, den Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung abzuweisen, ausgedrückt", kritisierte der Klägervertreter. Insbesondere fehle eine Begründung dafür, "wieso die Richterin davon ausgeht, dass die ausdrückliche Gesetzesbestimmung über den Schutz des höchstpersönlichen Rechtes des Urhebers entgegen der bisherigen Judikatur nicht mehr gelten soll".
Spots können sofort wieder anlaufen
Für den Wiener Rechtsanwalt Gerald Ganzger, der die Werbeagentur Lowe GGK vertritt, ist an der Entscheidung des Wiener Handelsgerichts nicht mehr zu rütteln. "Aus unserer Sicht hat das Erstgericht die Rechtsfragen umfassend geprüft und seine Entscheidung auf mehrere Rechtsgründe gestützt, nicht nur alleine auf das geänderte Verständnis bezüglich der Gleichstellung von Frauen. Das Handelsgericht geht vor allem auch davon aus, dass die Republik Österreich umfassende Rechte an der Bundeshymne hat", betonte Ganzger am Donnerstag.
Mit der Entscheidung des Gerichts können die Spots mit Christina Stürmer ab sofort und bis auf Weiteres wieder gesendet werden. "Es wäre auch absurd, es rechtlich zu verbieten, da mit einem solchen Spot insbesondere auch junge Frauen angesprochen werden und damit in Sachen Gleichstellung von Frauen und Männern ein starkes symbolhaftes Zeichen gesetzt wird", so Ganzger.
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