Für den 10-jährigen Benja beginnt an diesem Tag ein neues, ein besseres Leben. Als Baby wurde er seiner Mutter entrissen, um ihn als Tanzbären für einen Zirkus "auszubilden". Die armen Kreaturen werden dazu auf heiße Eisenplatten gestellt und heben vor Schmerzen immer wieder ihre Tatzen – so als würden sie tanzen. Um sie gefügiger zu machen, bekommen sie Alkohol - Wodka, Bier, Cognac. Ein mächtiges Tier, ein Lebewesen wird gequält und missbraucht zum Gaudium der Zirkusbesucher.
Dicke Tränen rollen über das Gesicht von Benjas Besitzer, während Amir den schlafenden Bären untersucht. Er ist dankbar, dass für Benja nun ein besseres Leben beginnt. Aber er verliert damit auch ein Kind, lässt er mich wissen. Menschen wie er sind sich nicht bewusst, wie sehr ein Tier unter solchen Umständen leidet. Sie handeln nicht aus Bösartigkeit, sondern aus der Not heraus. Wenn man sieht, unter welch unwürdigen Bedingungen diese Menschen selbst leben, kann man nachvollziehen, warum sie nicht erkennen, dass es ihren Tieren schlecht geht.
Benja hat unzählige kahle Stellen an seinem Körper. Es sind Male und Ausdruck seiner Verzweiflung, die er sich selbst zugefügt hat, indem er stundenlang mit den Kopf an den Eisenstäben gescheuert hat. Sein Käfig war ein winziges, dunkles Gefängnis in einem Llw-Anhänger. Vor wenigen Wochen attackierte er einen Mitarbeiter und verletzte ihn schwer. Zuerst sollte er deswegen erschossen werden. Doch sein Besitzer bewies seine Zuneigung zu ihm, schenkte ihn stattdessen den "Vier Pfoten" und rettete so sein Leben.
Eine zwölfstündige Fahrt liegt vor uns. Immer wieder halten wir an, um nach Benja zu sehen. Gierig trinkt er das Wasser, das ich ihm mit einer Flasche gebe. Es ist Mitternacht, als wir Benjas neues Zuhause erreichen. Ein Bärenezentrum in den Karpaten. Errichtet wurde es von der Regierung, die damit der Welt zeigen will, dass Tierschutz nun auch in der Ukraine Einzug hält. Kein Vorzeigeprojekt - aber ein Anfang. Die Stiftung "Vier Pfoten" soll nun mithelfen, es so rasch wie möglich optimal zu gestalten. Fünf Bären sind bereits darin untergebracht, aber es gibt noch an die 80 weitere Tanzbären in der Ukraine, die auf Rettung warten.
Als Benja seinen neuen Käfig beschnuppert, wird er liebevoll empfangen. Seine Nachbarin, Bärin "Ira", die ähnliches durchleben musste, begrüßt ihn mit einem tiefen Brummen und leckt ihm das Gesicht. Obwohl Benjas neue Behausung nicht unseren Tierschutzstandards entspricht, spürt man, wie wohl er sich fühlt. Es ist das erste Mal , dass er sich in einem Käfig aufrichten kann. Die tägliche Dosis Alkohol wird Benja dank optimaler Ernährung bald nicht mehr vermissen. Sein neues Leben hat begonnen – ein Leben ohne Schmerzen.
In der Infobox findest du eine Diashow mit vielen Fotos von der Bärenrettung.
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