Dass Geld und Manipulation im Mittelpunkt der spirituellen Bewegung stehen, findet Sieveking erst im Laufe der Dreharbeiten heraus - und wird so vom Filmemacher und Protagonisten zum Detektiv und schließlich Feindbild für die TM-Bewegung.
"Jai guru deva om, nothing's gonna change my world" - es sind die wohl berühmtesten Zeilen im viel gecoverten Beatles-Song "Across the universe". Dass die Phrase "Jai guru deva om" ("Danke Guru Dev") von der Philosophie des indischen Maharishi Mahesh Yogi (1918-2008) inspiriert ist, wissen die wenigsten. Er ist jener Guru, den die Beatles Ende der 60er-Jahre in seinem Ashram besuchten.
Eine "neue Weltregierung"
Jener Guru, den David Lynch so sehr verehrt, dass dieser heute die wichtigste Repräsentationsfigur von TM ist. Jener Guru, der seine Idee Anfang der 70er zu einer globalen Vereinigung werden ließ, zu einer "neuen Weltregierung". Und der vom "Himmel auf Erden" träumte, einer Siedlung in Indien, in der 10.000 "yogische Flieger" durch rituelle Gesänge den Weltfrieden auslösen sollen.
Das klingt doch spannend, denkt sich David - er will auch "fliegen", das heißt, im meditativen Schneidersitz über dem Boden schweben. David schreibt sich prompt gegen einen Beitrag von mehr als 2.000 Euro für einen TM-Kurs ein, reist mit einem Kamerateam zur Beisetzung des Gurus nach Indien, nimmt später an der Jahreshauptversammlung in Holland teil. Er wird mit offenen Armen empfangen, führt mehrere Interviews mit Lynch und anderen TM-Anhängern.
Doch schon bald wird David misstrauisch: Die Nachfolger des Gurus, Rajas, fahren goldene Limousinen, rufen bei Versammlungen zu Spenden für den "Himmel auf Erden" auf. Maharishi selbst soll seiner Familie ein Milliardenerbe hinterlassen haben. Dass so viel Geld hinter einer angeblich ausschließlich spirituellen Vereinigung steckt, verwundert David.
Doku im Michael-Moore-Stil
Schon bald stößt er auf immer mehr unglaubliche Fakten, wird zum investigativen Journalisten, spricht mit TM-Aussteigern und Kritikern, zieht Ärger und Klagsdrohungen vonseiten der TM-Bewegung und seines großen Vorbilds Lynch auf sich. Auf amüsante Weise präsentiert Sieveking seine Beobachtungen in der Koproduktion aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zwischen Doku-Stil und Inszenierung - betont zynisch und ironisch. Er nimmt Anleihen an US-Dokumentarist Michael Moore, spricht seinen Unmut selten aus, sondern lässt "die Bösen" lächerlich wirken. So ist "das Fliegen mehr ein Hopsen" und dass der Guru höchstpersönlich das nie vorgezeigt hat, sei, weil "er eben ein sehr bescheidener Mann war".
Einige Lacher sind bei dem eigentlich schockierenden Film garantiert, gerade weil sie teilweise versteckt daher kommen. Anstrengend hingegen die bewusst dramatische Inszenierung von Davids Beziehung mit seiner Freundin Marie - Szenen der beiden tauchen immer wieder auf seiner Reise auf, weil er "in einem Film, der sich mit Meditation und Spiritualität beschäftigt", die "Liebe nicht ausklammern" wollte, sagt er. Tragische Romantik hin oder her, der Streifen besticht durch eine kluge Erzählstruktur, fantastische Bilder, einen sympathischen, stets huttragenden Protagonisten und dem "Danach weiß ich mehr"-Bonus. Ein weiterer Pluspunkt: der gekonnt eingesetzte, folklorische Soundtrack des Wieners Karl Stirner.
David Lynch will dem jungen Kritiker übrigens demnächst nicht mit einer Klage, sondern mit einem Film entgegnen. "Der definitive Film über Maharishi" soll das Werk heißen, so Sieveking, "inwieweit es sich um einen Dokumentar- oder eher einen Imagefilm handelt, bleibt abzuwarten".
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