Andalusien vor zwei Sommern: Eine brüllende biblische Hitze knallt vom Himmel, und da ist niemand, der wie Moses Wasser aus einem Felsen schlägt, wohl aber eine Sklaventreiberin mit Designersonnenbrille und Megafon, die mit schriller Stimme das Meer der Wartenden teilt: "Keine Blonden, keine mit Bauch. Keine mit Tattoos. Du auch nicht, zieh Leine. Du siehst nicht aus wie einer, der durch die Wüste gelaufen ist!"
Als Regisseur Ridley Scott für seine "Exodus"-Verfilmung Statistenjobs ausschrieb, machten sich Tausende arbeitslose Spanier auf den Weg. Halbe Tage lang haben sie bei 40 Grad und mehr ausgeharrt, in der Schlange gestanden, um den begehrten Job als Komparse in Scotts monumentalem Bibelfilm "Exodus" zu erhalten. 80 Euro am Tag für ein Sklavendasein vor laufender Kamera, das ist schon was, bedenkt man, dass die Arbeitslosigkeit in Andalusien bei 35 Prozent liegt.
20.000 Arbeitslose, die Sklaven mimen
Dass sich mehr als 20.000 Menschen in den Drehorten Pechina, Almería, Roquetas del Mar, El Ejido und Macael einfanden, damit hatte Pilar Moya von der Castingfirma auch nicht gerechnet. Und irgendwie ist die dahinterstehende Symbolik auch bedrückend: Arbeitslose, die Sklaven mimen und möglichst ausgemergelt, ja fertig aussehen müssen – sozusagen von der Wirtschaftskrise gezeichnet.
Dass Ridley Scott in Spanien drehte, lag nahe, sind doch die Originalschauplätze im Sinai Kampfgebiet. Zudem ist die Wüstengegend der Sierra Nevada seit langem "Filmland": Hier ragt noch heute ein Galgen aus "Spiel mir das Lied vom Tod" gegen den Himmel, drehte Stanley Kubrick Szenen für "2001: Odyssee im Weltraum", stapfte Peter O'Toole als Lawrence von Arabien durch den Sand, adelte Elizabeth Taylor hoheitsvoll den Film "Cleopatra".
Großes Staraufgebot
Auch für "Exodus" waren hier über Monate Zimmerer, Kostümbildner und Bauarbeiter beschäftigt wie auch der großartige Cast, den Ridley sich ausbedungen hatte: "Batman" Christian Bale fesselt als Prophet Moses, Ben Kingsley als Gelehrter, Joel Edgerton gibt Ramses II. und Sigourney Weaver überzeugt als stolze Pharaonenmutter. Starpower also gepaart mit alttestamentarischem Furor, einem modernen Teilzeit-Sklavenmarkt und modernster Technik. Wie Ridley Scotts Pixel-Tüftler Moses' Gefolgschaft digital von ein paar hundert auf ein paar hunderttausend aufblähen, ist wahrhaft monumental.
Die Verfilmung biblischer Plagen sind für Ridley Scott "just great stuff". Auch die bombastische Logistik kratzt nicht. Dann schon eher der Sand im Bart. Und wenn sich der dann ins technische Equipment frisst, wird er nervös. Richtig laut wurde Scott, der Mann aus dem englischen Hafenstädtchen South Shields, in Almería nur einmal: Als er im Moment des zündenden Wortes "Action" eine Plastikwasserflasche auf der Ramses-Großbaustelle entdeckte!
Agnostiker dreht Bibel-Epos
Dass ein Genre-Hopper wie er sich alttestamentarische Kost vornimmt, genauer gesagt das zweite Buch Mose, "Exodus" – und das als bekennender Agnostiker –, bewog bibelfeste Glaubensgruppierungen dazu, sogleich das Wort Blasphemie zu strapazieren. Was der Regie-Veteran und Religionsskeptiker entspannt sieht: "Die Unterdrückung von Menschen, ja Völkern, die Sehnsucht nach einem gelobten Land, das ist doch alles sehr aktuell. Zudem ist das alte Ägypten eine der faszinierendsten Kulturen überhaupt. Und dann ist da dieser Zwist zwischen den Halbbrüdern Moses und Ramses: ein Wahnsinnsstoff, roh und gewaltig."
Man muss kein Prophet sein, um der 100-Millionen-Dollar-Produktion Blockbuster-Qualitäten zu verheißen. Und der Tanz um das goldene Kalb ist der um die eingespielten Dollar-Millionen.
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