Der Headliner, die schwedische Melodic-Death-Metal-Band Amon Amarth, hat schon vor geraumer Zeit den Eintritt in die erste Liga geschafft, schlussendlich firmieren die Werke des Quintetts trotz musikalisch harscher Ausrichtung schon seit Jahren in diversen Album-Mainstreamcharts.
Nordische Geschichtsstunde
Der Eindrang in die internationalen Hit-Tabellen mutet vor allem ob der textlichen Ausrichtung der Schweden befremdlich an. Amon Amarth besingen nämlich heidnische Kriege, Schifffahrten von Gottvater Odin, die Sage über die Weltenesche Yggdrasil und die Beschützer von Asgaard. Die Vermittlung nordischer Mythologie könnte einer faden Geschichtsstunde aber nicht ferner sein, denn Amon Amarth – mittlerweile mehr als 20 Jahre im Geschäft – würzen die Botschaften mit knackigen Gitarrensoli, flirrenden Riffs und akzentuiert robustem Schlagzeugspiel.
Im Gegensatz zum gefeierten Auftritt am diesjährigen Nova Rock müssen die Stockholmer auf ein Schiff als Bühnenkulisse verzichten, doch die ständig wiederkehrenden Raucheffekte, leuchtende Runensteine, die bei "Runes To My Memory" zum Vorschein kommen, und der geschwungene Riesenhammer zu "Twilight Of The Thunder God" vermögen ausreichend nordische Sagenatmosphäre zu verbreiten. Die begeisterten Fans im gut gefüllten Saal danken diese akustisch-visuelle Vollbedienung mit tosendem Jubel und Textsicherheit – Songs wie "Destroyer Of The Universe", "Death In Fire", "War Of The Gods" oder das bekannteste Exemplar der Band, "The Pursuit Of Vikings", werden im Chor mitgesungen.
Metal ohne unnötige Hast
Um derart viel Stimmung in die Bude zu bringen, reichen den Bandmitgliedern von Amon Amarth schwarze T-Shirts, umgehängte Thorshämmer und ständig durch die Luft wirbelnde, lange Haare. Der imposante Aufstieg in den letzten Jahren lässt sich beim Besuch eines Livekonzerts jedenfalls schnell erklären: Amon Amarth knüppeln sich nicht im Rekordtempo durch die Kompositionen, sondern lassen neben erhöhtem Melodienreichtum und entschleunigten Momenten auch viel Sympathie und Bodenständigkeit einfließen. Dass Frontmann Hegg zudem gerne mit seinen Deutschkenntnissen auftrumpft, spielt dem Ganzen in die Hand.
Für so manchen Besucher stapfte der heimliche Headliner bereits davor auf die Bühne. Die britische Death-Metal-Legende Carcass kehrte vor wenigen Monaten mit dem bärenstarken Album "Surgical Steel" aus der Frühpension zurück und wird auf der derzeitigen Tour allerorts abgefeiert. Der charismatische Sänger und Bassist Jeff Walker hat im Gegensatz zur Hauptband mehr Interesse an medizinischen Eingriffen als an längst vergangenen Heldensagen und lässt dazu passend während des Auftritts auf zwei Mini-Leinwänden auch Operationsvideos oder Penisbilder mit blutigen Hoden flimmern.
Ein Fest für Mediziner
Was bei den Engländern auffällt, sind nicht nur zungenverbiegende Songtitel wie "Incarnated Solvent Abuse" oder "Corporal Jigsore Quandary", sondern vor allem die unfassbare Gitarrenarbeit von Bill Steer und Ben Ash, die während des Auftritts einen imaginären Wettkampf starten, während besagter Frontmann die forensischen Texte per Krächzstimme ins Mikrofon keift. "Captive Bolt Pistol" und der unsterbliche Genre-Klassiker "Heartwork" beenden ein makelloses Live-Erlebnis, während sich Walker sogar an die österreichische Death-Metal-Combo Pungent Stench zurückerinnert.
Eher in die Kategorie "unfreiwillige Komik" ist der Auftritt des britischen Openers Hell einzustufen. Deren Auffassung von Musik klingt für Power-Metal-affine Hörer, die auch gerne in die 80er-Jahre zurückblicken, soundmäßig gar nicht übel, doch die theatralische, mit vielen Gesten, Schminken und einer Dornenkrone verstärkte Bühnenshow wirkt eher unglücklich denn innovativ. Sänger David Bower ist übrigens ausgebildeter Musical-Darsteller, was so manch krude Aktion auf der Bühne (Stichwort Selbstgeißelung) erklärt. Die wahren Helden des Entertainments waren an diesem Abend aber ohnehin bärtige Hobby-Wikinger und langhaarige Hobby-Pathologen.
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