"Krone"-Interview

Paul Stanley: “KISS gibt es nur einmal”

Musik
05.06.2015 11:01
Sie beschließen am Samstag das "Rock in Vienna" auf der Donauinsel und sind mit Sicherheit der optische Höhepunkt des dreitägigen Festivalmarathons. KISS sorgen auch mehr als 40 Jahre nach der Bandgründung für kompromisslosen Hard Rock mit Attitüde. Sänger und Gitarrist Paul Stanley hat mit uns im Vorfeld über Wien, die ungeschminkte Bandphase und etwaige Zukunftspläne gesprochen.
(Bild: kmm)

"Krone": Paul, am Samstag kehren KISS nach zweijähriger Abwesenheit nach Österreich zurück, um live am "Rock in Vienna" aufzutreten. Bei eurem letzten Besuch hattet ihr eine gigantische metallene Spinnenkonstruktion als Bühne – auf was dürfen wir uns heuer gefasst machen?
Paul Stanley: Die Bühne wird im Prinzip eine Kombination aus den besten Teilen der Bühnen der letzten Jahre sein. Wir haben unlängst eine Südamerika-Tour beendet, die großartig verlief. Die Bühne ist absolut Hightech, ohne aber die Hauptsache, die Band, in den Hintergrund zu stellen. Es gibt derzeit so viele Bands auf Tour, dass große Bühnen, die Effekte und herumspringende Tänzer alles wären. Sie haben vielleicht große Bühnen, aber da ist nichts dahinter. Wir sind auch eine Band, die großartige Musik spielt.

"Krone": Ist es heute schwierig für euch, euch jedes Mal selbst zu übertreffen?
Stanley: Wir versuchen einfach, unser gutes Level zu halten. Du willst auch nicht das Rad neu erfinden. Es ist rund und rollt ja ohnehin. Jedes Mal, wenn wir auf die Bühne gehen, geben wir unser Bestes und ich finde speziell die Shows der letzten vier oder fünf Jahre werden kontinuierlich besser. Ich bin eigentlich von Show zu Show stolzer auf das, was wir machen. Die Leute, die uns sehen sind weggeblasen von unserer Show – ich selbst ebenfalls. Viele Leute fragen mich immer, ob es mir noch Spaß mache. Aber warum wäre ich sonst noch da? Ich muss das ja nicht machen – ich mache es deshalb, weil ich stolz darauf bin, weil es mir Spaß macht und weil ich eine gewaltige Hingabe für die Menschen verspüre, die auf uns aufschauen. Ich habe auch eine Verantwortung dafür, dass ich immer mein Bestes gebe und die Leute bei den Gigs zufriedenstelle.

"Krone": Auf dem "Rock in Vienna" spielen auch große Bands wie Metallica oder Muse. Ist das für KISS nach wie vor eine Art Wettbewerbssituation?
Stanley: Mit allem gebührenden Respekt für alle anderen Bands – es gibt nur einmal KISS. Ich habe mich noch niemals um irgendeine andere Band gesorgt. Die anderen sind sich wahrscheinlich alle etwas ähnlicher, aber ich sorge mich nur darum, dass wir so gut wie möglich sind und den Namen KISS würdig präsentieren.

"Krone": Ihr wart mittlerweile unzählige Male in Österreich zu Gast. Welche Erinnerungen hast du daran?
Stanley: Nur gute. Wir hatten großartige Outdoor-Shows. Die Leute sind ein Wahnsinn und das Essen ist hervorragend. Wenn wir in Europa sind, dann ist es uns sehr wichtig, auch in Österreich zu spielen.

"Krone": KISS gibt es seit mittlerweile 42 Jahren – was fällt dir als Erstes ein, wenn du an diese enorme Zeitspanne denkst?
Stanley: Ich fühle mich gesegnet, aber ich habe auch sehr hart dafür gearbeitet, mich so fühlen zu dürfen. Ohne die nötige Hingabe und den nötigen Stolz und das Verantwortungsbewusstsein wären wir nie so weit gekommen. Es ist eine große Ehre, seit bereits 42 Jahren mit KISS unterwegs zu sein. Ohne Aufopferung und harte Arbeit wären wir aber nie so weit gekommen. Egal, ob die Kritiker gut oder schlecht über uns schreiben – das Einzige, das für uns eine Bedeutung hat, ist, was unser Publikum von uns hält. Die Fans sind alles für uns und haben uns so weit gebracht.

"Krone": Du bist auch genauso lange das "Starchild" bei KISS. Kannst du dich immer noch so gut mit deinem Alter Ego identifizieren wie zu Beginn?
Stanley: Ich bin, wer ich bin. "Starchild" ist in mir gewachsen und einfach ein Teil von mir. Ich würde mir manchmal wünschen, ich wäre ein Schauspieler, aber dem ist nicht so. Das ist absolut kein Schauspiel.

"Krone": 1983 habt ihr euch demaskiert und du warst die treibende Kraft dahinter. Erst 1996 waren die maskierten "alten" KISS wieder reaktiviert. Was war der Grund dafür, wieder so zurückzukommen?
Stanley: Die Masken haben wir 1983 hauptsächlich deshalb abgelegt, weil wir damals die Identifikation mit den Charakteren, diesen ikonischen Bildern verloren haben. Als wir damals auch Bandmitglieder verloren hatten, mussten wir das Image von uns verändern. Ich glaube, den Leuten hat es auch nicht gefallen, dass neue Bandmitglieder immer neue Gesichter und Make-ups bekommen haben. Es war dann mit der Zeit einfach wichtig zu erkennen, ob wir es verdienen würden, weiterzumachen. Meine Ansicht war immer: Sind wir ohne Make-up nicht gut genug, um Erfolg zu haben, dann sollten wir keine Band mehr sein. Es war für uns eine Feuerprobe. Dass wir das Make-up wieder auftrugen, war für mich eine Art "Jetzt oder nie"-Situation, da wir damals die Originalband wiederbelebten. Keiner wusste ja überhaupt, ob wir alle noch so lange leben würden. Die Menschen lernen aus ihren Fehlern und schauen wieder nach vorne. Wir hatten wieder neue Energie und der Weg zurück war für uns nur logisch. Unglücklicherweise sind manche in der Band aber nur älter und nicht auch weiser geworden. Als es für uns klar waren, dass wir uns von den Leuten wieder trennen, war es aber auch klar, dass wir unseren eingeschlagenen Weg nicht mehr verlassen können. Mit der Maskierung haben wir nicht nur uns selbst, sondern auch Millionen von Menschen wieder glücklich gemacht.

"Krone": Gene Simmons und du sind die einzig übrig gebliebenen Gründungsmitglieder von KISS. Was macht eure Zusammenarbeit so fruchtbar?
Stanley: Wir hängen mittlerweile seit etwa 45 Jahren zusammen. Wir hatten eine gemeinsame Vision und ein Gespür dafür, wie uns diese Vision zum Erfolg führen könnte. Wir wussten auch, wie viel Einsatz und Arbeit wir in die Waagschale legen mussten, um dieses Ziel zu erreichen. Es ist kein Zufall, dass wir da sind, wo wir eben sind. Wir haben immer hart gearbeitet und alles sehr ernst genommen. Wir wollen auf der Bühne bei jeder einzelnen Show nicht nur die hohen Erwartungen der Fans erfüllen, sondern auch unsere eigenen.

"Krone": In den 80er-Jahren lag der Weiterbestand von KISS aber ganz bei dir, weil sich Gene auf die Schauspielerei und allerlei Nebengeräusche konzentrierte – nur nicht auf die Band. Bist du verantwortlich dafür, dass die Band damals überhaupt weiterbestand?
Stanley: Es war gar nicht so schwierig, aber dafür ärgerlich. Wenn du schon keine Lust darauf hast, dich zu beteiligen, dann solltest du auch nicht um Credits bei den einzelnen Songs ansuchen. Du solltest den Leuten dann auch nicht erzählen, dass du aktiv an der Band mitarbeitest. Das stimmt schließlich alles nicht. Wenn du dich nicht an der Band beteiligst, dann gib keine Interviews und erzähl den Leuten von Sachen, die du nicht wissen kannst. Du solltest dann auch nicht so bezahlt werden, ganz einfach. (lacht) Das war natürlich ärgerlich für mich. Ich selbst hatte aber genug Spaß, denn ich konnte mich zu dieser Zeit ganz frei ausleben.

"Krone": Hattet ihr eigentlich immer so etwas wie einen Wettkampf, wer denn mehr oder die größeren Hits schreiben würde?
Stanley: Eigentlich nicht. Ich denke, die meisten großen Hits habe ohnehin ich geschrieben. Vielleicht würde dir Gene etwas anderes erzählen, um Aufmerksamkeit zu lukrieren.

"Krone": KISS ist auch das Paradebeispiel, wenn es um die Merchandising-Maschinerie geht. Vom T-Shirt bis zum Flipper gibt es nichts, was es von euch nicht gibt. Findest du persönlich dass gewisse Dinge wie zum Beispiel KISS-Särge nicht etwas zu viel des Guten sind?
Stanley: Wenn irgendjemand ein Problem damit haben sollte, dann berührt mich das nicht. Der einzige Grund, warum es die verschiedenen Sorten von Merchandise gibt ist, dass die Leute es lieben. Der einzige Grund, warum Leute vielleicht hochnäsig darüber schimpfen, ist die Tatsache, dass sie dasselbe nicht auf die Reihe bringen würden oder uns einfach nicht mögen. Niemand hält dir eine Waffe an den Kopf und zwingt dich, etwas von uns zu kdas Privatleben, wie viel Zeit bleibt dir dafür neben deinen vielen Verpflichtungen für die Band?
Stanley: Es gibt nichts Wichtigeres. Am Ende des Tages ist die Familie alles. Meine Verantwortung liegt darin, ein guter Dad zu sein. Ich will nicht, dass meine Kinder einmal eine gewisse Richtung einschlagen, nur weil ich nie da war. Sie sollen sich entwickeln können, weil ich eben sehr wohl für sie da bin. Nur das zählt.

"Krone": Könntest du dir vorstellen, dass deine Kids in vielen Jahren einmal bei KISS spielen werden?
Stanley: Niemals. Ich will meine Kinder nicht mit dem Schatten meines Erfolgs erschlagen. Sie sollen nicht Daddy jr. werden. Ich bin kein Fan davon, sie in die Öffentlichkeit zu bringen oder sie in eine bestimmte Richtung zu drehen, nur weil es mir gerade so passt. Sie sollen ihr eigenes Leben führen und genauso für alles, was sie besitzen und haben wollen, arbeiten. Mein 20-jähriger Sohn hat vor seiner Zeit im College Essen für ein Restaurant ausgeliefert. Das hat ihm zu dem gemacht, was er ist. Das war nicht ich, der am Telefon hing und ihm damit Türen öffnete.

"Krone": Mit den Alben "Sonic Boom" und "Monster" haben KISS in den letzten Jahren zwei unheimlich starke Alben veröffentlicht. Wird es weiteres neues Material geben? Werdet ihr wieder ins Studio gehen?
Stanley: Sollten wir wieder das Studio besuchen, dann aus denselben Gründen wie für "Monster" und "Sonic Boom" – weil es sich gerade richtig angefühlt hat. Wir waren bereit dafür und hatten genug Ideen. Wenn dieses Gefühl wiederkommt, dann werden wir nicht zögern, das Studio aufzusuchen. Wir sind aber in der glücklichen Position, keine Alben machen zu müssen. Wir haben keine Plattenfirmen, die uns vertraglich irgendwohin stoßen können. Wir machen alles nur deshalb, weil wir selbst es so wollen. Wenn wir einen Grund für ein Album finden, dann werden wir auch wieder eines einspielen.

Vorher rocken KISS am 6. Juni aber noch das "Rock in Vienna" auf der Donauinsel. Tickets sind noch an der Tageskassa erhältlich.

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