Der alljährliche Krampuslauf fand schon vor ein paar Tagen statt, dennoch umgibt einen in der Wiener Stadthalle die Aura einer Geisterbahn. Hier der mal diabolisch-verrückte, dann wieder androgyn auftretende Schockrocker Marilyn Manson, dort der Horrorfanatiker, Musiker und Filmemache Rob Zombie, dessen Äußeres an einen kauzigen Waldschrat erinnert. Auf der "Twins Of Evil"-Tour sind die beiden Entertainer gut aufgehoben, auch wenn das einst Furchterregende und Unnahbare, das vor allem Manson geschickt einzusetzen wusste, nur mehr die Strahlkraft eines netten Schlossgespensts hat.
Manson, der "Fürst der Finsternis", hat auch schon bessere Zeiten erlebt. Obschon bereits im Vorfeld als Co-Headliner-Tour angekündigt, wunderte sich im Vorfeld so mancher, warum der kommerziell erfolgreichere Manson bereits vor Rob Zombie auf die Bühne muss. Die Antwort gibt der Schockrocker selbst. Nach einem dürftigen Beginn samt emotionsloser Bühnenpräsenz herrscht in der Stadthalle Stimmung wie bei einem Begräbnis. Von den wenigen Hardcore-Fans vor der Bühnenmitte abgesehen, muss sich Manson meist mit Höflichkeitsapplaus zufrieden geben. Da hilft auch die nette Modeshow nicht weiter – Manson zieht sich vor jedem Song um – denn wer wenig gibt, bekommt auch wenig zurück.
Wechselnde Garderobe
Ob als Papst, als Drogenjunkie oder als Redner am Pult verkleidet – Manson setzt zu sehr auf die Optik und zu wenig auf Bühnenagilität und Interaktion mit dem Publikum. Ein paar flapsige Ansagen und zweideutige Bewegungen sind schlicht und einfach zu wenig, um den Anwesenden das Gefühl eines sinnvoll angelegten Eintrittsgeldes zu vermitteln. Der Künstler wirkt müde, lustlos und satt – dementsprechend ereignislos und enttäuschend verläuft auch die Show. Konfettiregen und "Scheiß drauf"-Mentalität sind beim Überangebot an Spitzenkonzerten heutzutage zu wenig, um Hunde vor den Ofen zu locken.
Der 43-Jährige weiß, dass sich sein Kult und sein Erfolg auf die alten Großtaten wie "Disposable Teens", "The Dope Show" oder "Coma White" und auf seine eingängigen Coverversionen stützt. Das von den Radiostationen totgespielte "Tainted Love" spart sich der exzentrische Amerikaner ebenso, wie Überraschungen in der Setlist. Obwohl Manson säckeweise große Hits in seiner Diskografie stehen hat, geht er bei seiner Songauswahl schon seit Jahren auf Nummer sicher. Dass damit ausgerechnet die 16 Jahre alten Gassenhauer "Antichrist Superstar" und "The Beautiful People" am Ende auf die größte Resonanz stoßen, ist bezeichnet für den freien Fall des einstigen Schreckgespensts. Der Provokateur ist mittlerweile im beliebigen Mittelfeld gelandet, oder um den Titel eines bekannten deutschen Filmes zu zitieren: Die fetten Jahre sind vorbei.
Impulsive Show
Völlig konträr verläuft dafür das weitere Programm. Rob Zombie, bekennender Horrorfanatiker und künstlerischer Tausendsassa, hat sich in letzter Zeit auf den Bühnen rar gemacht und sich auf seine Regisseurskarriere konzentriert. Mit den "Halloween"-Remakes oder "The Devil's Rejects" machte sich Zombie nicht nur zur Underground-Kultfigur, sondern entwickelte ein zweites berufliches Standbein. Live hat es der US-Amerikaner aber noch immer drauf. "Sawdust In The Blood", "Jesus Frankenstein" oder der White-Zombie-Klassiker "More Human Than Human" überzeugen auf allen Linien – wie Maschinengewehrsalven feuert der bärtige Frontmann die Hits aus dem Köcher und weiß dabei das zuvor noch recht enttäuschte Publikum zu begeistern.
Ein Zombie-Gig ist auch mit massig Gimmicks ausgestattet. Überlebensgroße Bühnenfiguren, perfekt choreografierte Showeinlagen, anmutige Feuerfontänen und beeindruckende Visuals und Horrorfilm-Einlagen auf den mächtig projizierenden Leinwänden machen aus dem Konzert ein visuelles Gesamterlebnis. Zombie begeht dabei auch nicht den Fauxpas von Manson, sondern bietet dem Publikum Schmäh, Sympathie und Händeschütteln. Als ex-Marilyn Manson Gitarrist John 5 zu einem beeindruckenden Gitarrensolo ansetzt, hetzt Zombie sogar mal eine Runde durch den Saal. Ein Vollblutrocker und Bühnenprofi durch und durch, der sich mit seinen 47 Jahren auch selbst nicht zu schade ist, die Bühne mehrfach abzulaufen.
Großer Qualitätsunterschied
Gitarrenlastige Rock-Kracher wie "Sick Bubble-Gum", "Scum Of The Earth" und das geniale "Thunder Kiss '65" bringen Bewegung in die Halle. Der Frontmann flirtet dabei immer geschickt mit dem weiblichen Publikum, reitet auf den aufwändig gestalteten Bühnenmaschinen ein und lässt den behäbig begonnenen Abend tatsächlich noch zu einem Freudenfest gedeihen. Zwischen dem kurz angespielten Metallica-Klassiker "Enter Sandman" und dem Alice-Cooper-Evergreen "School's Out" werfen Zombie und Co. aufblasbare Bälle ins Publikum und lassen sich von allen Seiten bejubeln. Eine morbid-dunkle Ausstrahlung haben beide schon mal besser hingekriegt, doch die eigentliche Überraschung war der in dieser Intensität niemals zu erwartende Qualitätsunterschied. Wahrlich gruselig.
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