1. Sind Zäune eine Lösung für das Chaos?
"Grenzzäune und Mauern können Flüchtlinge nicht dauerhaft aufhalten und sind keine Lösung", erklärte Kardinal Christoph Schönborn bei der Bischofskonferenz in der Nacht auf Dienstag. Das ist ein kirchlicher Standpunkt als humanistischer Maßstab. Die Realpolitik orientiert sich auch an anderen Erfordernissen. Etwa der Konkurrenz durch starke populistische Mitbewerber wie den Freiheitlichen. Deutlichste Zaun-Vertreterin ist die von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll unterstützte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Sie hat als erstes Regierungsmitglied von einem Zaun in Spielfeld gesprochen. Die SPÖ, allen voran Bundeskanzler Werner Faymann, lehnt einen Zaun ab, und spricht von baulichen Maßnahmen, die ein Leitsystem für die Flüchtlinge sein sollen.
Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte: Ein richtiger Zaun würde nicht nur europarechtlichen Vereinbarungen widersprechen, er könnte zu neuen humanitären Katastrophen führen. Zudem ist ein Zaun, dessen Übertritt nicht mit militärischer bzw. polizeilicher Gewalt verhindert wird, nutzlos. Allerdings gelten Zugangssperren mittlerweile als unverzichtbar, um die Flüchtlinge registrieren zu können bzw. in Migranten mit möglichem Asylstatus (Kriegsflüchtlinge) und ohne Anspruch auf Asyl ("Wirtschaftsflüchtlinge") unterscheiden zu können.
2. Wie soll der Zaun eigentlich aussehen?
Dazu kursieren mehrere Versionen. Laut diverser Planungen handelt es sich um abbaubare Sperrgitter in mehreren Wellen. Damit kann der Flüchtlingsstrom nicht gestoppt, jedoch abgebremst werden. Es soll kein durchgehender Zaun werden, sondern vielmehr sollen es mehrere Zaunteile werden. Das liegt an den topografischen Schwierigkeiten und daran, dass einige Weinbauern nicht wollen, dass durch ihre Güter ein beleuchteter Zaun verläuft. Die Gesamtlänge der Absperrungen variiert zwischen acht bis 25 Kilometer.
3. Ist jetzt ein weiterer Zustrom von Flüchtlingen zu erwarten?
Es kursieren Warnungen in diese Richtung. Aufgrund des warmen Novembers rechnet man im Innenministerium mit neuen Fluchtwellen. Bei der Polizei geht man davon aus, dass ab Mittwoch täglich 8000 bis 10.000 Flüchtlinge die steirischen Grenzen übertreten werden.
4. Liegt der Schlüssel zur Lösung der Krise in der Türkei?
Der eigentliche Schlüssel zur Lösung des Problems liegt in einem Friedensplan für Syrien. Das kann noch Jahre dauern. Bis dahin ist die EU auf die Zusammenarbeit mit der Türkei angewiesen. Es gibt Hinweise, dass die Türkei die Anzahl der Flüchtlinge genau steuern kann. Eine Kooperation mit der EU lässt sich Ankara teuer abkaufen. Ab Mittwoch verhandeln die EU-Regierungschefs bei einem Gipfeltreffen auf Malta mit türkischen Spitzenpolitikern. Es geht um Hilfsgelder in der Höhe von vorerst zwei Milliarden Euro und Visaerleichterungen für türkische Studenten und Geschäftsleute.
5. Kommen alle Flüchtlinge aus Syrien?
Nein. Im Sog der Flüchtlingsbewegung aus Syrien sind auch Auswanderungswillige aus anderen Teilen der Welt von Afghanistan über Pakistan bis Eritrea. In Athen sagt man, ca. 25 Prozent der Flüchtlinge kämen nicht aus Syrien.
In Brüssel wird unterdessen befürchtet, dass sich einige afrikanische Staaten die Türkei "als Vorbild" nehmen und sich ebenfalls finanzielle Mittel zur Eindämmung von Fluchtbewegungen erwarten. Sicherheitshalber hat die EU daher schon die Hilfsbudgets aufgestockt. Der EU-Fonds für Afrika wurde am Dienstag etwa um drei Millionen Euro erhöht.
6. Weshalb kommt die EU zu keiner Lösung?
Jedes EU-Mitgliedsland mit Ausnahme Deutschlands, wo Kanzlerin Angela Merkel immer mehr unter Druck gerät, versucht sich vor den Asylwellen zu schützen. Aus Slowenien sind am Dienstag "Notmaßnahmen" bekannt geworden. Dort geht es um eine Art Zaun ("technische Barriere"), in diesem Fall zu Kroatien.
Zudem tobt in der EU ein Verteilungskampf um den Brüsseler Geldtopf. Neuere EU-Mitglieder fürchten um Subventionen und wollen sich vor den enormen Kosten für die Flüchtlinge und deren Integration drücken.
Verlässliche Zahlen zu den Flüchtlingskosten existieren übrigens nicht. Eine vom ORF im September als "Geheimpapier" verbreitete Berechnung zu den in Österreich benötigten Geldmitteln belief sich auf 12,3 Milliarden Euro bis 2019.
Aus dem Video-Archiv: Die Einsatzkräfte an der Grenze sind immer wieder mit Gewalt konfrontiert.
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