Leben ohne Furcht

Hirngeschädigte Frau zeigt Ärzten den Sitz der Angst

Wissenschaft
17.12.2010 11:11
Eine Frau, deren Gehirn teilweise geschädigt ist, hilft US-Forschern Angsterkrankungen auf die Spur zu kommen. Abgestorbene Nervenzellen in einer geschädigten Hirnregion namens Corpus amygdaloideum (auch als Mandelkern bezeichnet) führen dazu, dass die Frau keine Angst mehr kennt. Der kuriose Fall bestätigt erstmals beim Menschen die Vermutung, dass dieses Gefühl in der sogenannten Amygdala entsteht.

Das kleine, paarig angelegte Areal (im Bild rot) ist ein Kerngebiet des Gehirns, Teil des sogenannten Limbischen Systems und spielt eine Schlüsselrolle für die Therapie von Angststörungen und Traumatisierungen. "Gewöhnlich filtert die Amygdala aus sämtlichen ins Gehirn einlaufenden Informationen Hinweise auf alles, was unser Leben gefährden könnte", erläuterte der Neuropsychologe Justin Feinstein von der Universität von Iowa. "Bei Gefahr leitet sie eine Reaktion des ganzen Körpers ein, die uns dazu zwingt, die Bedrohung zu meiden." Dazu zählen typische Angstsymptome wie Pulsrasen, schnelle Atmung oder Schwitzen.

Frau lebt völlig ohne Furcht
Aber dieser wichtige Schutzmechanismus fehlt bei jener Frau, schreibt Feinstein im Fachblatt "Current Biology". Weder Horrorfilme noch der Besuch eines berüchtigten Geisterhauses flößten ihr Furcht ein. Auch ihr elektronisches Tagebuch lieferte keinen Hinweis darauf, dass die Frau Angst spürt. Schließlich konfrontierte Feinstein sie mit Schlangen und Spinnen - Tiere, in deren Nähe sie früher nach eigenen Angaben Abscheu überkam. Nun fasste sie die Tiere aber sofort an, aus Neugier, wie die 44-Jährige erklärte.

"Ohne Amygdala fehlt SM (die Initialen der Frau, Anm.) auch die Fähigkeit, Gefahren aufzuspüren und zu vermeiden" erläutert Feinstein. "Es ist ziemlich bemerkenswert, dass sie überhaupt noch am Leben ist", so der Forscher.

Gefühlsleben nicht eingeschränkt
Abgesehen von der fehlenden Angst ist das Gefühlsleben der Frau nicht eingeschränkt: Sie verspürt Trauer oder Freude wie andere Menschen auch. Aus ihren Erkenntnissen wollen die Forscher nun neue Ansätze zur Behandlung von Angsterkrankungen oder der Posttraumatischen Belastungsstörung entwickeln: So könnten etwa Medikamente die Aktivität der Amygdala dämpfen.

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