Idee gegen Krise?

NL: Legalisierter Drogenhandel soll Staatskasse füllen

Ausland
19.05.2010 16:21
In den Niederlanden sorgt ein Vorschlag für Furore, der zur Bekämpfung der Krise die Legalisierung weicher und harter Drogen vorsieht. Nicht nur der staatlich kontrollierte Handel mit Marihuana und Ecstasy, auch der Umschlag von Kokain und sogar Heroin könnte Milliarden in die leeren Staatskassen spülen, meinen die Befürworter. Diese sind nicht etwa ein paar zugekiffte Junkies, sondern angesehene Alt-Politiker und Wissenschaftler.

Hinter der Initiative stecken der ehemalige Verteidigungsminister Frits Bolkestein von der rechtsliberalen Volkspartei für Demokratie und Freiheit (VVD) und die frühere Gesundheitsministerin Els Borst-Eilers von den linksliberalen Demokraten 66. Mehrere Juristen, Hochschullehrer und Drogenexperten schlossen sich den Forderungen der prominenten Ex-Minister an. 

"Schafft das Verbot von weichen und harten Drogen ab", verlangte die Initiative in einem von der anerkannten Zeitung "NRC Handelsblad" veröffentlichten Aufruf, mit dem sie drei Wochen vor den Parlamentswahlen am 9. Juni den vor sich hindümpelnden Wahlkampf auf Trab brachten.

"Formidable Möglichkeit der Steuererleichterung"
"Die Regulierung des Drogenmarktes bietet eine formidable Möglichkeit der Steuererleichterung", lautet ihr Argument. Sie verweisen darauf, dass die Niederlande 30 Milliarden Euro einsparen müssten, um das durch die Finanzkrise aus dem Ruder gelaufene Budget in Ordnung zu bringen. Alle Parteien haben dafür Vorschläge gemacht - bis hin zur Kürzung der Zahlungen an die EU und der Streichung von Mitteln für die Integration von Muslimen, wie sie der Rechtspopulist Geert Wilders verlangt.

"All diese Optionen tun weh", heißt es in dem Aufruf. "Aber es gibt eine Option, die Erleichterung bietet." Der 77-jährige Bolkestein und die 78-jährige Borst-Eilers stellten mit Hilfe des Statistikamtes ein Rechenbeispiel an: Polizeieinsätze gegen Drogenhersteller, Schmuggler und Dealer, Gefängnisstrafen, Geldwäsche, Steuerausfälle und viele weitere, teils indirekte Folgen des Drogenverbots kosteten die Gesellschaft 15,75 Milliarden Euro pro Jahr, was 924 Euro pro Holländer entspricht.

Geld für den Staat und Beitrag zur Volksgesundheit
Würde der Staat bisher verbotene Drogen gleich behandeln wie Alkohol und Tabak, kämen erhebliche Gelder in die Kassen. Auch der Volksgesundheit wäre gedient: "Wenn der Schwarzmarkt wegfällt, wäre die Qualität von Drogen gewährleistet." Verbote könnten sie ohnehin nicht aus der Welt schaffen, so die Argumente.

Vorschlag hat kaum Chance auf Umsetzung
Während derartige Vorschläge anderswo Aufschreie der Empörung auslösen, werden sie im pragmatischen Holland sachlich erörtert. Chancen auf Verwirklichung haben sie derzeit trotzdem kaum. Die VVD, die an der Spitze der Wahlumfragen liegt, hatte sich 2008 aus einem Projekt mit den Demokraten 66 und der sozialdemokratischen Partei der Arbeit (PvdA) zurückgezogen, das die Legalisierung von weichen Drogen prüfte. Die Christdemokraten, die drittstärkste Partei nach der PvdA, möchten alle Verbote verschärfen, Strafen erhöhen und sämtliche rund 730 Hasch-Cafés, die sogenannten Coffee-Shops, schließen. 

Bisher ist selbst dort der Genuss von Cannabisprodukten nicht ausdrücklich erlaubt, sondern wird lediglich von den Behörden geduldet, während der Anbau und der Handel mit Marihuana nach wie vor verboten sind. Diese "Gedoogbeleid" (Duldungspolitik) führt nach Auffassung von Experten dazu, dass sich unter dem Deckmantel der Coffee-Shop-Kultur die organisierte Kriminalität breitmacht. Deshalb trat auch Job Cohen als Bürgermeister der "Kiffer-Metropole" Amsterdam für die Legalisierung von weichen Drogen ein. Inzwischen bewirbt er sich als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten um das Amt des Ministerpräsidenten - und geht mit dem Drogenthema staatsmännisch zurückhaltend um.

Kiffer-Kneipen schließen am Wahltag
Um möglichst viele Stimmen für die Befürworter der Legalisierung zu organisieren, haben sich Coffee-Shop-Betreiber für den Wahltag einiges einfallen lassen. In Haarlem bleiben am 9. Juni alle Haschisch-Kneipen geschlossen: "Sonst gehen unsere Kunden gar nicht erst zur Wahl", sagt der "Streik"-Organisator Nol van Schank. Die Coffee-Shops in Maastricht hingegen versprechen jedem Wähler einen Gratis-Joint.

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