"Krone"-Interview

Karl-Theodor zu Guttenberg: ‘Ich bin halber Österreicher’

Österreich
29.01.2011 15:51
Der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat dieser Tage dem österreichischen Außenminister Michael Spindelegger seine Erfahrungen bei der Aussetzung der Wehrpflicht weitergegeben. "Krone"-Reporterin Nadia Weiss nutzte diese Gelegenheit, um mit dem Politiker über die Situation des Heeres in beiden Ländern zu diskutieren und ihn auch auf seine aus Österreich stammende Mutter anzusprechen.

"Krone": Herr Minister, Sie haben heute Ihrem österreichischen Kollegen Michael Spindelegger Ihre Erfahrungen zum Thema Aussetzung der Wehrpflicht weitergegeben. Welche Bilanz ziehen Sie zu dieser Reform in Deutschland?
Karl-Theodor zu Guttenberg: In Deutschland haben wir mit der Aussetzung der Wehrpflicht die völlig richtige Entscheidung getroffen, man muss aber sagen, dass Österreich eine völlig unterschiedliche Ausgangssituation hat. Ich würde nicht gerade sagen, dass wir sonst Äpfel mit Birnen vergleichen, aber innerhalb des Obstes handelt es sich um unterschiedliche Sorten. Die Diskussionslage in Deutschland hat sich insbesondere auch verfassungsrechtlich begründet. Außerdem war die Kultur des Wehrdienstes in den vergangenen Jahren schlichtweg verkümmert. Dies war so weit fortgeschritten, dass ein Wiederherstellen der ursprünglichen Kultur nicht mehr möglich war, auch wenn es sich viele gewünscht hätten, mich wahrscheinlich eingeschlossen.

"Krone": Was meinen Sie mit der "verkümmerten Kultur des Wehrdienstes"?
Guttenberg: Wir befanden uns zuletzt in einer Situation, in der nur noch 16 Prozent eines Jahrgangs zum Wehrdienst gezogen wurden. Das ist verfassungsrechtlich bedenklich. Außerdem erfordert eine veränderte Sicherheitslage eine veränderte Bundeswehr.

"Krone": Wie sehen Sie die Situation für Österreich?
Guttenberg: Minister Spindelegger und ich beginnen jetzt einen Gedankenaustausch auf Arbeitsebene, in dem wir von unserer Seite eine Bandbreite an Modellen mitbringen können, die wir durchdacht haben. Wir haben durchaus Szenerien beleuchtet, die bei uns nicht passen müssen, aber es möglicherweise in einem anderen Land tun. Vielleicht kann das hilfreich sein. Da die Debatte nicht nur emotional geführt wurde, können wir möglicherweise einen kleinen Beitrag leisten.

"Krone": Das heißt, Sie gründen mit Minister Spindelegger eine Arbeitsgruppe zum Thema Wehrpflicht in Österreich?
Guttenberg: Minister Spindelegger und ich stehen ohnehin in engem Kontakt miteinander, und bei Verteidigungsminister Norbert Darabos ist die fachliche Verbindung ohnehin auch gegeben. Bei unserem Gedankenaustausch auf Arbeitsebene sollen in nächster Zeit, ich würde sagen, wir gehen das recht rasch an, unsere Fachleute ihre Expertisen darlegen.

"Krone": Sehen Sie auch Gemeinsamkeiten bei der Ausgangssituation in Deutschland und in Österreich?
Guttenberg: Ich hatte es ja auch nicht ganz einfach mit meinem Standpunkt, die Wehrpflicht auszusetzen, durchzukommen. Minister Spindelegger und ich haben einen Gedanken, der uns sehr eint: Wir glauben beide, dass es einem jungen Menschen nicht schaden kann, wenn er einen Dienst an seiner Gesellschaft und seiner Heimat leistet. Selbst bei uns mit der Frage der Aussetzung der Wehrpflicht war immer der Anspruch da, aus diesem Gedanken ein Konzept zu gießen, um das trotzdem zu bedienen.

"Krone": Der springende Punkt hier wie da ist doch die Entscheidung, ob man Menschen zum Dienst verpflichten darf, oder ob er freiwillig erfolgen kann?
Guttenberg: Diese Diskussion haben wir geführt, aber die Grundvoraussetzung war bei uns bereits eine andere. Es wurde vielfach nur noch aus nostalgischen Gründen an etwas festgehalten. Wir hätten nie die Mehrheiten bekommen, um als Gegenstrategie beispielsweise beim Wehrdienst von sechs Monaten wieder auf zwölf Monate zu gehen oder eine Verpflichtung von 50 bis 60 Prozent zu erreichen. Die Entscheidungen wären möglicherweise anders verlaufen, wenn wir noch eine Situation wie in Österreich vorgefunden hätten. Es ist ja doch alles komplizierter, als man glaubt.

"Krone": Nun kommen wir zu den Kosten: Wie teuer ist das Berufsheer in Deutschland wirklich geworden, vor allem in Zusammenhang mit den Rekrutierungsmaßnahmen?
Guttenberg: Das kann ich nicht pauschal beantworten und als Blaupause auf Österreich übertragen. Aber sagen wir es so: Vordergründig spart der Staat durch den Verzicht auf die Wehrpflicht. Gleichzeitig muss er aber im Wettbewerb mit der freien Wirtschaft um junge Menschen werben. Da muss man eine Gegenrechnung vornehmen. Und wenn man sich die künftigen Aufgaben des Bundesheeres anschaut, dann müssen zumindest wir in Deutschland uns bei der Aufrüstung neu aufstellen. Gleichzeitig haben wir aber einen so bedeutenden Abbau nicht nur durch Wegfall der Wehrpflichtigen, sondern auch auf der zivilen Ebene, dass ich mittelfristig sehr wohl Sparpotential sehe. Das ist aber immer mit der Gesamtstruktur zu sehen. In Deutschland war die Aussetzung der Wehrpflicht eine Folge der Bundesheerreform.

"Krone": Sie sind also nicht der Meinung, dass sich die allgemeine Wehrpflicht prinzipiell überlebt hat?
Guttenberg: Es gibt Länder, in denen eine allgemeine Wehrpflicht passen kann, die Tendenz ist in den vergangenen Jahren jedoch so, dass es immer weniger sind. Dem kann man nicht widersprechen.

"Krone": Ihr Bruder ist Österreicher ...
Guttenberg: ... Ich bin ja auch halber Österreicher. Wir haben eine österreichische Mutter.

"Krone": Hätten Sie auch Anspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft gehabt?
Guttenberg: Ja, als Bub hab' ich mir das bereits gut überlegt, wie ich das einmal mit dem Wehrdienst machen werde (lacht). Aber irgendwann war dann national doch die Entscheidung für Deutschland da.

Das Interview führte Nadia Weiss, Kronen Zeitung

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