Wer gewalttätig ist, wurde oftmals als Kind geschlagen oder erlebte starke Angst. Forscher haben bei diesen Menschen zudem gewisse Veränderungen im Gehirn beobachtet, hieß es am Dienstag in einer EPFL-Mitteilung. Ob zwischen Trauma, Gewalt und Gehirnveränderungen ein direkter Zusammenhang besteht, war bisher unklar und wurde nun zum ersten Mal bei Ratten nachgewiesen.
Für ihre Studie setzten die Wissenschaftler vorpubertäre Tiere angsteinflößenden Erlebnissen aus, wie beispielsweise dem Geruch von Füchsen. Es zeigte sich, dass diese Tiere als Erwachsene ihre Artgenossen stärker und häufiger attackierten als Tiere aus der Kontrollgruppe, berichtet das EPFL-Team im Fachblatt "Translational Psychiatry".
Veränderungen im Gehirn nachgewiesen
Die Forschenden wiesen daraufhin die Folgen im Gehirn nach: Bei den traumatisierten Nagern wurde eine Hirnregion namens orbitofrontaler Kortex weniger aktiviert, die bei gesunden Menschen bei sozialen Herausforderungen angeregt wird, schrieb die EPFL. Dadurch reduzierte sich die Fähigkeit der Tiere, negative Triebe zu dämpfen.
Genau das Gleiche passiert bei gewalttätigen Menschen, wie andere Forscher mit bildgebenden Verfahren herausgefunden haben: Der orbitofrontale Kortex ist weniger aktiv und der Aggressionstrieb deshalb weniger stark gehemmt. "Das ist beeindruckend, weil wir nicht mit einer so großen Ähnlichkeit gerechnet hatten", so Studienleiterin Carmen Sandi. "Unsere Arbeit zeigt, dass in der Kindheit traumatisierte Menschen nicht nur psychisch leiden, sondern eine tatsächliche Veränderung im Gehirn aufweisen", sagte Sandi.
Die Veränderungen betrafen auch das Erbgut der Ratten: Die sogenannten MAOA-Gene, die für ihre Rolle bei aggressivem Verhalten bekannt sind, wurden anders aktiviert. So nahm die Aktivität des MAOA-Gens im Vorderhirn zu, wo die Impulskontrolle gesteuert wird, wie Sandi erklärte.
Antidepressiva als Hoffnungsträger
Damit nicht genug: Der ganze Prozess ließ sich bei erwachsenen Mäusen mit einem antidepressiven Medikament, das die MAOA-Gene hemmt, rückgängig machen. Nicht alle Ratten reagierten gleich, aber die Behandlung wirkte, so die EPFL. "Die Resultate lassen vermuten, dass sich aggressives Verhalten durch die Hemmung des MAOA-Komplexes behandeln ließe", schrieben die Forscher.
Nun wollen die Wissenschaftler mit weiteren Untersuchungen herausfinden, ob sich die Gehirnveränderungen damit auch beim Menschen "heilen" lassen. Es mehren sich laut Sandi nämlich die Hinweise, dass Antidepressiva das Gehirn leichter umformbar machen - auch bei Erwachsenen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.