Mega-Wahlerfolg
Kultkomiker Beppe Grillo mischt Italiens Politik auf
So avancierte die Gruppe um den 63-jährigen Grillo, der in Italien als Satiriker und Erfolgs-Blogger Kultstatus genießt, in vielen vor allem norditalienischen Gemeinden zur drittstärksten politischen Kraft. In Parma schaffte es der Grillo-Kandidat Federico Pizzarotti überraschend auf gleich 19,5 Prozent der Stimmen. Und in Genua, der Heimatstadt des Komikers, erreichte der "Fünf Sterne"-Kandidat Paolo Putti 13,9 Prozent – womit er besser abschnitt als sein Gegner von Berlusconis "Volk der Freiheit", Pierluigi Vinai.
"So etwas ist in Italien noch nie geschehen"
Überhaupt eroberten die Grillo-Kandidaten in fast allen am Urnengang beteiligten Kommunen mehr als zehn Prozent der Stimmen. Damit entzogen sie sowohl Berlusconis Partei als auch den Linksgruppierungen massiv Wählerstimmen. "Es ist ein epochaler Erfolg. Die Bürger haben ohne jegliche Unterstützung eine Bewegung aufgebaut, die die alten Parteien weggefegt hat. So etwas ist in Italien noch nie geschehen. Berlusconis Rechte ist zerfallen, sie existiert nicht mehr", erklärte Grillo, der seine Bewegung 2009 gegründet hat.
Während die Italiener im Würgegriff der Krise zu erheblichen Opfern aufgerufen werden, hat der aus Ligurien stammende Grillo mit seinen populistischen Anti-EU-Kampagnen das Vertrauen der müden Steuerzahler und der politikverdrossenen Wähler gewonnen. Grillos im Internet aufgebaute Bürgerbewegung punktet mit Slogans gegen die Korruption in Italiens Parteiensystem sowie ihrem Einsatz für Formen der direkten Demokratie. Grillo gewinnt vor allem die Stimmen linksorientierter Wähler, die ihr Vertrauen in die Traditionsparteien verloren haben. Aber auch im Wählerreservoir der von einem riesigen Skandal um illegale Parteifinanzierungen belasteten rechtspopulistischen Oppositionspartei Lega Nord konnte Grillo punkten.
"Wir sind eine Wiki-Bewegung"
"Die Parteien sind tote Seelen, die bald verschwinden werden. Sie schaden nur sich selbst und haben überhaupt nicht verstanden, wer wir sind. Wir sind eine Wiki-Bewegung, wie Wikipedia, an der jeder schreiben kann", betonte Grillo. Die Gruppe hat keinen Parteisitz, die Anhänger kommunizieren über Blogs. Grillo verdankt seinen Erfolg ausschließlich dem Internet, wo seine Botschaften verbreitet werden und riesigen Erfolg ernten. Am liebsten hält er per Twitter Kontakt zu seinen Anhängern.
Grillos Bewegung ist stark auf Ökologie und umweltverträgliches Wirtschaftswachstum ausgerichtet. Auch Gesundheit, Medienfreiheit, Transparenz in der Wirtschaft und Kampf gegen Übermacht der Finanz sind Themen, mit denen sich die Gruppierung befasst. "Jede Person kann eine Rolle spielen. Unsere Bewegung hat keine Strukturen, Parteiflügel und Mitgliedschaftskarten", versicherte der 63-Jährige.
Parteiensystem als "Geschwür der Demokratie"
Der Starkomiker mit dem zerzausten Haar und dem weißen Bart, der wegen seiner provokativen Kampagnen vom Staatsfernsehen RAI verbannt worden war, ist den ohnehin schon geschwächten Parteien im italienischen Parlament ein Dorn im Auge. Grillo beschuldigt die Gruppierungen, sich nicht um für das Land wichtige Themen wie Umweltschutz, Atomenergie und Interessenskonflikte zu kümmern. Das Parteiensystem sei das "Geschwür der Demokratie", sagt Grillo.
Der Komiker gilt als Held der italienischen "Anti-Politik". Wie Michael Moore betreibt er einen erfolgreichen Blog, der eine der am meisten aufgerufenen Seiten Italiens ist, die auch teils ins Englische übersetzt wird. Mit mehr als einer Million Besuchern pro Woche gehört sie zu den meistgelesenen Websites der Welt. Auf diese Weise ist eine virtuelle Welt des Protests entstanden, die immer mehr an Boden gewinnt. Der Genuese Grillo ist nicht mehr nur ein Komiker - er ist zu einem Massenphänomen geworden.
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