Zum Weltfrauentag 2012 hat die SPÖ-Ortsgruppe Puchenau bei Linz eine Weltfrau zu ihrer Chefin gewählt: Beverley Allen-Stingeder ist gebürtige Westafrikanerin, Migrantin, Feministin und Österreichs erste Schwarze bei den Roten. "Seit Donnerstag steh' ich an den Kreuzungen, um auf die Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau aufmerksam zu machen", erzählt sie und macht sich auch gleich für die Frauenquote stark. Diesen Sonntag feiert die frischgebackene Ortspartei-Chefin mit 400 Frauen eine Matinee.
Während sie Fragen zu Integration, Rassismus und dem grausamen Bürgerkrieg in ihrer Heimat beantwortet – und zwar in original oberösterreichischem Dialekt – halten ihre beiden Töchter (10 und 12) die zwei Großen Schweizer Sennenhunde "Jacky" und "Charly" im Zaum.
"Krone": Frau Allen-Stingeder, hat Werner Faymann Ihnen schon gratuliert?
Beverley Allen-Stingeder: Nein (lacht). Vielleicht, wenn er die "Krone" liest.
"Krone": Oberösterreichs SPÖ-Obmann Josef Ackerl?
Allen-Stingeder: Auch nicht. Dafür war Barbara Prammer bei meiner Wahl dabei.
"Krone": Wie kommt denn eine Schwarze überhaupt zu den Roten?
Allen-Stingeder: Wie jede Frau, die Karriere macht: durch ihre Leistungen! Ich bin seit 1997 bei der SPÖ, war erst bei der Jungen Generation und vier Jahre im Gemeinderat von Gramastetten. Seit 2009 engagiere ich mich bei der SPÖ Puchenau.
"Krone": Ist Migration im Mühlviertel ein Thema?
Allen-Stingeder: Sicher kein so präsentes Thema wie in den Großstädten. Hier glauben die Leute, wenn ich als Afrikanerin einem Afrikaner begegne, dann muss ich ihn zwangsläufig kennen. Das ist aber weder hier so noch in Wien.
"Krone": Wie begegnen Ihnen die Menschen am Land?
Allen-Stingeder: Offen, wenn sie merken, dass ich die Sprache beherrsche. Für die älteren Leute in Pasching bin ich noch immer das Haidinger-Dirndl – der Mann meiner Mutter hieß Franz Haidinger. Er hat als Tankwart geschichtelt und jeden Abend mit mir Deutsch gelernt, als ich mit knapp elf Jahren nach Oberösterreich gekommen bin.
"Krone": Sind Sie für verpflichtende Deutschkurse für Migranten?
Allen-Stingeder: Jeder, der hier lebt, soll Deutsch können. Nur dann kommt man vorwärts. Das ist mein Appell an die Jugend. Appelle sind stärker als Zwangsmaßnahmen.
"Krone": Welche Note geben Sie der Migrationspolitik Ihrer Partei?
Allen-Stingeder: Noten verteile ich als Berufsschullehrerin in der Schule schon genug. Ich finde, die SPÖ könnte das Thema noch positiver besetzen. Ich sehe Integration als ein Geben und Nehmen. Die Menschen, die hier leben wollen, müssen sich in die Gesellschaft einbringen, aber die Gesellschaft profitiert auch sehr von ihren Leistungen. Mein Ziel ist Chancengleichheit für alle Menschen in diesem Land. Und die SPÖ sollte auch den Mut haben, die Transaktionssteuer in Österreich umzusetzen.
"Krone": Hatten Sie selbst diese Chancengleichheit?
Allen-Stingeder : Ehrlich gesagt nein. Als ich nach Abschluss der Handelsschule einen Job gesucht habe, wurde mir klipp und klar gesagt: Eine dunkelhäutige Person können wir unseren Kunden nicht zumuten.
"Krone": Was ging da vor in Ihrem Kopf?
Allen-Stingeder: Ich konnte nicht glauben, dass die Leute so sein können. Meine Mutter hat mir geraten, umzusteigen in den Tourismus, da waren die Leute offener.
"Krone": Waren Sie je mit Rassismus konfrontiert?
Allen-Stingeder: Oh ja. In Linz hat mich ein älterer Herr einmal auf der Straße bespuckt. Ich war erst 14. Ein Pärchen hat ihn dafür beschimpft, da wusste ich, dass es auch viele mutige und gute Menschen gibt. Ein anderes Mal hat einer, als meine Mutter und ich ein Lokal betreten haben, gefragt: "Hot's bei denen brennt?" Den habe ich zur Rede gestellt. Er war überrascht, dass wir ihn verstanden haben und hat sich sogar entschuldigt.
"Krone": Sie haben zwei Töchter, wie geht es denen heute?
Allen-Stingeder: Sie müssen da durch. Sie werden lernen, damit umzugehen.
"Krone": Wie finden Sie die Diskussion um die Abschaffung des "Mohren im Hemd"?
Allen-Stingeder: Wir haben sicher größere Probleme. Trotzdem denke ich, dass man auch Schokogugelhupf mit Schlagobers dazu sagen könnte. Es tut nicht weh - und wäre ein Anfang.
"Krone": Frau Allen-Stingeder, in Ihrem Heimatland hat ein unfassbar brutaler Bürgerkrieg getobt...
Allen-Stingeder: Das war kein Bürgerkrieg, das war ein Gemetzel. Da wurden Kindersoldaten gezwungen, Menschen die Hände und Füße abzuhacken. Wenn ich dann junge, beinamputierte Fußballer sehe, die für Sierra Leone kämpfen, dann sehe ich die Stärke, nicht das Leid. Man muss immer nach vorne schauen.
"Krone": Genitalverstümmelung ist in Sierre Leone grausamer Alltag für den Großteil der Frauen. Sind Sie diesem Horror entgangen?
Allen-Stingeder: Als der Roman "Wüstenblume" von Waris Dirie erschienen ist, haben die Leute mich plötzlich so komisch fragend angeschaut: "Ist die vielleicht auch beschnitten?" Aber ich bin methodistisch-evangelisch aufgewachsen, in unserer Religion ist das kein Thema.
"Krone": Schlägt Ihr Herz noch für dieses Land?
Allen-Stingeder : Auf jeden Fall. Auch wenn ich heute eine Mühlviertlerin bin. Unsere Familie, die auf der ganzen Welt verstreut ist, hat eine Foundation gegründet, die junge Menschen in Sierra Leone unterstützt. Ich spreche auch bis heute noch immer kreolisch.
Beverly Allen-Stingeders Geschichte:
Geboren am 17. 11. 1967 in Sierra Leone, Westafrika. Mit elf Jahren kommt sie nach Österreich, besucht die Hauptschule in Pasching und die Handelsschule in Linz. Weil sie als Schwarze keinen Bürojob findet, wechselt sie in den Tourismus. 1996 beginnt sie ein Wirtschaftsstudium, das sie mit drei Jobs finanziert – einer davon für die SPÖ, der sie 1997 beitritt. Die Berufsschullehrerin ist mit Franz Stingeder verheiratet, das Paar hat zwei Töchter. Am 2. März wird sie zur SPÖ-Chefin in Puchenau bei Linz gewählt.
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