160-Millionen-Gesetz

Nationalrat: FPÖ sichert Regierung Mehrheit bei ORF

Österreich
17.06.2010 19:47
Nachdem der Nationalrat am Mittwoch in einer 13-stündigen Sitzung das neue Glücksspiel- sowie ein neues Waffengesetz abgesegnet hatte, ging die Plenarwoche am Donnerstag mit ein paar weiteren großen Brocken zu Ende: Neben einer Novelle des Schulunterrichtsgesetzes (siehe Infobox) wurde auch das neue ORF-Gesetz beschlossen. Es verschafft dem Staatsfunk bis 2014 rund 160 zusätzliche Millionen aus der Staatskasse, wenn er gewisse Sparmaßnahmen und Reformen durchzieht. Die Verfassungsmehrheit hat die FPÖ der Regierung gesichert.

Bis zuletzt hatten sich die Oppositionsparteien beim ORF-Gesetz bitten lassen. In einer Fünf-Parteien-Runde in der Früh gab schließlich die FPÖ Grünes Licht für die Zustimmung. Das BZÖ gehe nicht mit, wie Mediensprecher Stefan Petzner vor Sitzungsbeginn sagte. Mit dem ORF-Gesetz sei es nicht gelungen, die heimische Medienlandschaft ausreichend neu zu gestalten, außerdem könne man den 160 zusätzlichen Millionen als "Anwalt der Gebührenzahler" nicht zustimmen. Die Grünen hatten sich von Anfang an am wenigsten kompromissbereit gezeigt. 

FPÖ-Mediensprecher Peter Fichtenbauer zeigte sich zwar nicht 100 Prozent zufrieden mit dem Gesetz, man sei aber zum Wohl des größeren Ganzen mitgegangen. Einen Einfluss im ORF habe man sich damit nicht gesichert, Absprachen über Personalia oder Ähnliches sei an das "Ja" nicht geknüpft worden. 

Die Debatte zum ORF-Gesetz ging am Vormittag vor laufenden Kameras über die Bühne, abgestimmt wurde kurz nach Mittag. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz saß mit seinem kaufmännischen Direktor Richard Grasl im Besucherbereich des Parlaments.

Heftiger Zusammenstoß zwischen FPÖ und BZÖ
Die Redebeiträge waren in erster Linie gekennzeichnet von Lobpreisungen der Regierungsparteien für das neue Gesetz. "Ein langer Weg findet hoffentlich ein gutes Ende", sagte SP-Klubchef Josef Cap als erster Redner. Der ORF werde damit auch in Zukunft "handlungsfähig, programmfähig und produktionsfähig" bleiben. Die neue Regelung sei "nicht nur ein ORF-Gesetz, sondern ein "Mediengesetz, von dem alle tangiert sind", auch Printmedien und private Rundfunkveranstalter, meinte VP-Klubchef Karlheinz Kopf.

FP-Mediensprecher Fichtenbauer sagte bei seinem Beitrag, seine Partei habe sich nach genauer Abwägung zum Ja entschieden, weil man "den ORF und sein Schicksal nicht zum Privat-Haushalt der regierenden Klasse machen wollte". In Rage geriet Fichtenbauer dann angesichts stichelnder Zwischenrufe des BZÖ. Mit plötzlich sehr lauter Stimme hielt er den Orangen ihren "kümmerlichen Wähleranteil" vor. Sie würden "nichts anderes darstellen als das von Jörg Haider eroberte Wählerpotenzial", ihre Parlamentssitze seien "Haider-Sitze". "Gehen Sie nach Hause, lösen Sie sich auf, Sie haben in der Politik keinen Wählerauftrag, Sie sind von null Dimension", rief er dem BZÖ zu, "zum allgemeinen Besten der Republik kommt von Ihnen nichts."

Die lauten Reaktionen aus dem BZÖ veranlassten Nationalratspräsidentin Barbara Prammer zu mahnen, dass die TV-Zuseher das Recht hätten, den Redner hören zu können.

Mehr Geld und Werbung, weniger Chefs, aus für FuZo
Das neue ORF-Gesetz umfasst neben den Geldern und neuen Werbebestimmungen (150 Sekunden Regionalwerbung aus bestimmten Kategorien bei "Bundesland heute", höheres Online-Werbelimit von fünf Prozent der Gesamtgebühren) die Schaffung einer neuen Konstrollinstanz für den ORF. Wegen der unabhängigen Medienbehörde, die mit fünf vom Parlament zu bestätigenden Köpfen bestückt ist, braucht das Gesetz die Verfassungsmehrheit, die die Regierung allein nicht hat. Weitere Gesetzespunkte: Das ORF-Direktorium soll in der nächsten Funktionsperiode von sechs auf vier Köpfe verkleinert werden. Etabliert werden soll eine Frauenquote von 45 Prozent, die außer in den ORF-Gremien (Stiftungs- und Publikumsrat, Anm.) sowie in der Direktion überall Gültigkeit hat. 

Bei seinem Online-Angebot soll sich der ORF in manchen Gebieten auf sendungsbegleitende Inhalte beschränken, weswegen das Netzpolitik- und Multimedia-Portal "Futurezone" und die Ö3-Online-Rubrik "Instyle" mit 1. Oktober eingestellt werden müssen. Intern hieß es, die Futurezone sei ein Bauernopfer der ORF-Direktion, damit der Verband der Zeitungen dem höheren Werbelimit zustimmt. Der Grüne Kultursprecher Wolfgang Zinggl bezeichnete die Entscheidung als "heller Wahnsinn". Die rein kommerzielle "Ski Challenge" darf der ORF ebenfalls nicht mehr anbieten. In den ORF-Foren müssen die Teilnehmer in Zukunft ihre Namen angeben, wobei hier die Einzelheiten noch nicht genau bekannt sind.

Im Fernsehen muss der Anteil der österreichischen Produktionen im Gegenzug für die Gebührenrefundierung kontinuierlich erhöht werden. 5,9 Millionen Euro jährlich muss der ORF in Zukunft zur Mitfinanzierung heimischer Kinofilme bereitstellen. TW 1 wird umgebaut und ein Spartenkanal nach Vorbild der deutschen Programme Bayern alpha oder Phönix. Abgesichert wird damit im Gegenzug ORF Sport plus. Verpflichtend muss der ORF auch "Rat auf Draht" sowie das Radiosymphonieorchester weiterführen.

13-stündige Sitzung am Mittwoch
Am Mittwoch hatte der Nationalrat das umstrittene neue Glücksspielgesetz beschlossen, das eine deutliche Ausweitung des "kleinen Glücksspiels" beinhaltet. Ebenso abgesegnet wurde ein neues Waffengesetz, das eine vollständige Registrierungspflicht für Schusswaffen bringt. Thema der Sitzung war auch der Fall Zogaj mit den üblichen Standpunkten der Parteien und einer Replik von Innenministerin Maria Fekter auf Vorwürfe von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache (zu allen drei Punkten siehe Storys in der Infobox).

Erst nach knapp 13 Stunden Debatte wurde die Sitzung beendet. In den Abendstunden wurden noch kleinere Verkehrsgesetze beschlossen und Entschließungen an die Regierung im Konsumentenschutzbereich gerichtet. So wurde etwa der Gesundheitsminister aufgefordert, sich für die Schaffung eines verlässlichen staatlichen Gütezeichens "Naturkosmetik" und "Biokosmetik" einzusetzen.

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